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Fremde

Fremde

Titel: Fremde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gardner R. Dozois
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größere Schwierigkeiten bei den Geburten – besonders da Mehrfachgeburten die Regel blieben. Schließlich wurde das Becken in den meisten Fällen zu eng, um überhaupt noch eine normale Geburt zuzulassen. Bei ihrer Anpassung an das Leben auf dem Land hatte die Gattung hoch gespielt und verloren – sie befand sich in einer evolutionären Sackgasse. Soziale Anpassung konnte sie noch eine Zeitlang retten, nachdem der erste primitive Genius zu einem Feuersteinmesser gegriffen und seinen Kindern durch Erfindung des Kaiserschnittes in die Welt geholfen hatte. Aber das Universum spielte noch einen letzten bösen Trick aus: Eine langsame Mutationskette im Metabolismus der Frauen vernichtete die das Vitamin K produzierenden Bakterien des Körpers, und zwar durch eine regelmäßig in den letzten Monaten der Schwangerschaft eintretende Veränderung der Darmflora. Die Frauen hörten nach einem Kaiserschnitt nicht mehr auf zu bluten – sie erlitten einen Blutsturz und starben. Sie mußten einen unglaublich furchtbaren Preis dafür bezahlen, aber ihnen blieb keine andere Wahl. Die Cian zahlten ihn mit dem Leben ihrer Frauen und sicherten so das Überleben ihrer Art.
    So erklärt es jedenfalls Ferris Hypothese, die zur Zeit weitgehend anerkannt wird und die Farber tatsächlich ein wenig von dem Ruhm einbrachte, den er immer suchte. (Ironischerweise wurde Farber jedoch noch viel »berühmter«, als die ganze Geschichte schließlich herauskam, und heute ist Ferris Name nur einigen Gelehrten und Spezialisten ein Begriff.) Ferris Hypothese blieb jedoch bis heute eine Hypothese. Etwas Sicheres weiß noch immer niemand – und die Cian sind in dieser Sache trotz einiger sozialer Veränderungen neueren Datums schweigsam wie immer.
    Später erklärte Ferri seine Theorie Farber haarklein. Aber damals, als der Diagnostikator blitzte und schrillte, während Farber versuchte, sich den Schädel einzurennen, war Ferri selbst nicht in Farbers Haus gekommen – es hätte nur eine einzige mögliche menschliche Hilfe gegeben, aber Ferri leistete sie nicht. Ferri war schlaflos, teilnahmsvoll, mitleidend, aber nicht in dem Maße, daß er es riskiert hätte, selbst hinüberzugehen. Er verbarg sich weiter hinter seiner Maschine.
    Farber umrundete das Ende der Maschine. Sie hatte in Bodenhöhe ein gepolstertes Fach ausgefahren, und in diesem Fach lagen die Babies, denen Liraun mit ihrem Tod das Leben geschenkt hatte. Sie schrien ohne Ausnahme. Mit den Waldos hatte Ferri sie zum Atmen gebracht und sie gesäubert, und sie schienen gesund zu sein – bei der Geburt viel weiter entwickelt, als es terranische Säuglinge waren, hatten sie die Augen offen und unternahmen die ersten Krabbelversuche. Möglicherweise schrien sie auch eher vor Angst und wegen mangelnder Fürsorge als vor Hunger: vier Mädchen und zwei Jungen, rote, nackte Wesen, die maunzten und aneinander stießen wie ein Wurf Kätzchen. Farber studierte sie lange, während das Tageslicht den Raum überflutete. Sein Gesicht war wie versteinert. Einmal hob er den Fuß, um sie zu zertreten – er Heß ihn wieder sinken. Er war noch sehr lange still, und dann nahm er, noch immer mit versteinertem Gesicht, einen der Jungen auf den Arm. Seinen Sohn. Farber hob ihn ans Licht. Er schien beinahe gar nichts zu wiegen, aber er krabbelte vergnügt auf Farbers Arm. Er hatte drei Paar Brustwarzen. Er schrie wild. Farber hielt ihn für einen Augenblick mit steifen Armen, dann begann er zögernd, ihn zu wiegen, zu schaukeln, und während er dies tat, dachte er mit einem neuerwachenden, praktischen Teil seines Geistes, der bereits jenseits aller Trauer die Zukunft zu planen begonnen hatte, daß er besser bald die Ziehamme holen ging; die Babys mußten sicher bald gefüttert werden, er mußte sich um ergänzende Nahrung für sie kümmern und um etwas zum Anziehen … Seine Bewegungen nahmen nach und nach eine sanfte Autorität an, während er, ohne es zu merken, zu dem Schaukeln summte.
    Nach einer Weile hörte das Baby auf zu schreien und schlief friedlich in Farbers Armen ein.

 
Nachwort
     
    Gardner Dozois wurde 1947 in Amerika geboren und war als Soldat im Status eines Militärjournalisten einige Jahre in Nürnberg stationiert. Als er 1969 nach dem Ausscheiden aus der Armee eine Abfindung für den Dienst in Übersee erhielt, beschloß er, dieses Geld als Grundstein für ein Leben als freiberuflicher Schriftsteller zu nutzen. Er mietete sich in einer Dachstube in einem kleinen deutschen Dorf ein und

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