Fremde Gäste
hierherzukommen, dann war es jetzt doch wohl an der Zeit.
Wer der Verbrecher auch sein mochte, es mußte auffallen, wenn er noch so spät
Licht hatte. Wenn es Tom war — und ich hoffte inbrünstig, daß er es nicht sei — , mußte er befürchten, erst recht aufzufallen, wenn es
noch um Mitternacht hell in seiner Hütte war. Bei allen anderen wohnte noch
jemand im selben Haus. Graham hatte einen Schäfer, David wohnte bei Peter, und
Joe Merton lebte mit seiner Schwester zusammen. Keiner von ihnen konnte so spät
noch unbemerkt etwas unternehmen. Und gar die Mädchen (verrückte Vorstellung!);
jede lebte bei ihrer Familie und mußte sich schon eine plausible Erklärung
ausdenken, um so spät in der Nacht noch allein auszugehen. Ich knipste meine
Taschenlampe wieder an und sah auf die Uhr. Es war kurz vor zehn Uhr; beinahe
drei Stunden hatten wir in diesen gräßlichen Schränken gelauert. Ich wollte
noch bis zehn Uhr warten und dann Larry holen und mit ihr zu ihrem Haus gehen.
Unser Plan war mißlungen und alle Hoffnung umsonst.
Gerade als ich zu diesem
betrüblichen Schluß gekommen war, hörte ich ein Geräusch. War auch Larry des
Wartens müde? Nein, das war nicht ihr leichter, schneller Schritt! Das war ein
Mann, der zwar vorsichtshalber seine Schuhe ausgezogen hatte und nur leise
auftrat, aber ich erkannte mit Sicherheit, daß sich da ein Mann näherte, und
für einen kurzen Augenblick war ich ungeheuer erleichtert. Aber nur kurze Zeit.
In Wahrheit hatte ich nie geglaubt, daß es ein Mädchen war. Doch wer war es?
Mein Herz pochte, ich spähte durch den Türspalt nach einem Lebenszeichen aus
der Küche.
Und da war es auch schon: Das
Flackern einer Taschenlampe, ein behutsames Umhertasten, dann wieder Stille.
Ich dachte: Jetzt hat er das Geld für die Lepra-Stiftung entdeckt! Wird er es
nehmen oder weitergehen und zuerst hier herumsuchen?
Ich fröstelte vor Nervosität
und Aufregung. Noch immer sah ich den gleichmäßigen Schein der Taschenlampe in
der Küche. Von Larry kein Laut. Mir kam der närrische Gedanke, sie sei
womöglich eingeschlafen. So war also ich an der Reihe!
Leise glitt ich aus meinem
Schrank — da drang ein greller Lichtschein aus der Küche. Selbstverständlich
war Larry nicht eingeschlafen. Sie hatte bis zum letzten Moment gewartet und
dann das große Licht angedreht. Ich hörte ihre Stimme; vor Erregung bebend rief
sie schrill und ungläubig; Sie sind das! Sie!!«
Das war alles. Ich zögerte
feige. Ich fürchtete mich vor dem Anblick, der sich mir bieten würde. Wer stand
dort mit dem Geld in der Hand, auf frischer Tat ertappt? Plötzlich wollte ich
es gar nicht mehr wissen. Im Geiste standen die vier netten Männer vor mir.
Einer von ihnen mußte es sein. Ja, sogar David... Und dann rannte ich in die
strahlend helle Küche.
Mit dem Rücken zur anderen Tür
stand im vollen Licht Larry; ihre Wangen glühten vor Empörung. Am Tisch, den
Geldschein in der Hand — die Taschenlampe war ihm entglitten stand mit einem
von Furcht und Wut entstellten Gesicht Graham Ford.
10
Wenn wir später an diese Nacht
zurückdachten, kam es uns so vor, als ob da kein Wort gesprochen worden sei.
Natürlich blieb Graham nichts zu sagen; er war bei dem Diebstahl ertappt worden,
und es hatte keinen Sinn, etwas zu leugnen. Der Gedanke an die Polizei
bedrückte Larry und mich sehr, aber wir sagten nichts davon. Im Nu hatte Graham
sich davongemacht. In der Garage stand unser Wagen, denn Paul und Sam waren mit
Tim gefahren. Ich holte ihn heraus, und wir fuhren zu Larry — viel zu erregt,
um miteinander zu sprechen.
Aber wir konnten nicht
einschlafen. Schließlich gaben wir es auf; wir gingen in die Küche und kochten
uns eine Tasse Tee. Wir tranken schweigend. Niedergeschlagen rauchten wir eine
Zigarette; endlich meinte Larry: »Jedenfalls war es nicht Tom! Gott sei Dank!
Aber dieser nette Graham... Er soll doch so ein tüchtiger Farmer sein; alle
Männer mögen ihn gern .«
»Das ist wahr. Es scheint
unfaßbar. Aber wenn man’s recht überlegt: Wenn wir Trix und Beth ausnehmen und
natürlich auch Tony und Miranda — denn die zogen wir doch nur scheinbar in
Betracht-, wenn wir die alle auslassen, wer bleibt dann übrig? David käme in
Betracht, denn der könnte es just für einen Schabernack halten, aber er würde
doch keinen anderen in Verdacht bringen. Ferner Joe, den wir schon kannten, als
er noch ein Schuljunge war, und der vermutlich Miranda
heiraten will. Weiter Tom, der wohl, und zwar zu Unrecht,
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