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Fremde Schwestern: Roman (German Edition)

Fremde Schwestern: Roman (German Edition)

Titel: Fremde Schwestern: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Ahrens
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Raubüberfällen, Vergewaltigungen und Mord. Von Weißen, die so naiv waren zu meinen, ihnen würde in den Townships nichts passieren. Lydia glaubte, man könne ihr ansehen, dass sie auf der Seite der Unterdrückten stand. Dabei war doch alles nur Gerede, ihre Solidaritätsbekundungen mit den Zukurzgekommenen dieser Welt, ihre Thesen, wie Hunger und Armut zu überwinden seien! Lydia hatte nie wirklich etwas gegen das Elend getan. Sie hatte immer auf Kosten anderer gelebt. Eine verwöhnte Kreatur, die es sich herausnahm, diejenigen zu kritisieren, die sie ernährten.
    Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass Lydia Geld hatte und in der Lage war, sich ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen. Vielleicht würde sie in Südafrika zur Ruhe kommen, einen Beruf lernen, einen Partner finden. Vielleicht würde sie Merle ein Zuhause geben können.

    Da ist er wieder, dieser kehlige Laut, der klingt, als käme er von einem kleinen Tier. Das ist kein normaler Laut für ein siebenjähriges Mädchen. Oder täusche ich mich? Was ist, wenn Merle schlecht wird oder sie Durchfall bekommt und hohes Fieber? Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich mir, dass nicht nur Lydia, sondern auch Merle krank aus Nepal zurückgekommen ist. Ein mageres Kind, das, wie Mutter gesagt hätte, nichts zuzusetzen hat, könnte schnell an einer Krankheit sterben. Wer wäre schuld, wenn nicht ich, die nicht rechtzeitig die Symptome erkannt hat?
    Esthers Ankunft sorgt dafür, dass ich mich wieder beruhige. Kein Fieber, lautet ihre Diagnose, nachdem sie die Hand auf Merles Stirn gelegt hat. Wahrscheinlich ein schlechter Traum. Auch Ann-Kristin gibt im Schlaf manchmal seltsame Laute von sich.
    Merle verzieht keine Miene. Schläft sie so tief, oder macht sie uns nur etwas vor?
    Wir gehen in die Küche. Ich schenke uns kalten Zitronentee ein. Stelle eine Schale mit Plätzchen auf den Tisch. Esther leert ihre Kleidertasche: T-Shirts, Unterwäsche, Jeans, Shorts, ein gestreifter Rock, eine Strickjacke, ein Nachthemd, Söckchen, Sandalen. Sogar ein Badeanzug.
    »Was wird Ann-Kristin sagen, wenn sie merkt, was alles in ihrem Kleiderschrank fehlt?«
    »Wir haben gemeinsam besprochen, was sie Merle leihen möchte. Hier ist auch noch ein Bilderbuch.«
    Ich versichere ihr, dass ich morgen mit Merle einkaufen gehe. Esther winkt ab. Ich solle mir Zeit lassen. Ann-Kristin habe alles im Überfluss.
    Esther und ich kennen uns seit mehr als einem Vierteljahrhundert. In ihrer Gegenwart schrumpfen Krisen auf eine handhabbare Größe. Kein Problem, das Esther nicht lösen kann.
    Sie machte mir Mut, mich beim Direktor über unseren Mathelehrer zu beschweren, weil er mir mehrmals zu nahe gekommen war. Sie besorgte Lydia einen Platz in einer Klinik für Drogenabhängige, was zwar zu nichts führte, aber das war nicht Esthers Schuld. Sie schrieb meine Seminararbeit über Fontane zu Ende, als ich kurz vor dem Staatsexamen eine Schreibblockade bekam. Egal, ob es um Drehbücher, Vertragsverhandlungen, Mieterhöhungen oder Beziehungen geht, Esther ist immer zur Stelle.
    »Am besten meldest du Merle am Montag in der Grundschule Knauerstraße an«, sagt Esther und greift nach einem Plätzchen. »Dort werden wir Ann-Kristin im nächsten Jahr auch einschulen.«
    »Ich denke erst mal nur an dieses Wochenende. Das reicht mir vollkommen.«
    »So wie du die Lage schilderst, wird man Lydia nicht so schnell entlassen.«
    »Nein, aber ab Montag muss eine andere Lösung gefunden werden.«
    »Vielleicht wäre es ganz schön für dich, wenn Merle eine Weile bei dir wohnen würde.«
    »Nein, das wäre es nicht.«
    »Ich kann dir unseren Babysitter sehr empfehlen, eine siebzehnjährige Schülerin, sehr verantwortungsbewusst für ihr Alter.«
    »Hör auf, Esther!«
    »Ich habe sie schon gefragt. Sie hätte Zeit, auch zu dir zu kommen.«
    »Du schätzt die Lage falsch ein. Merle wird nur übers Wochenende hier wohnen.«
    »Ann-Kristin und ich würden uns jedenfalls freuen, wenn sie nachmittags mal zu Besuch käme, wo auch immer sie untergebracht ist. Vielleicht am Donnerstag, da bin ich zu Hause.«
    »Du hast keine Ahnung, auf was du dich einlässt. Merle ist jenseits aller Zivilisation aufgewachsen. Sie ist genauso verwahrlost wie ihre Mutter.«
    »Immerhin hat sie ja nun gebadet.«
    »Du nimmst die Sache zu leicht. Lydia und Merle stehen für eine Welt, mit der wir nichts, aber auch gar nichts zu tun haben.«
    »Lydia und du, ihr seid euch ähnlicher, als du glaubst.«
    »Wie bitte? Meine

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