Friesenkinder
noch schwerer für sie, überhaupt schwanger zu werden. Hatte sie gedacht.
Doch in den Bars und Kneipen hatte sie viele willige Männer kennengelernt. Natürlich hatte sie ihnen nichts von ihrem Babywunsch erzählt, sie belogen, gesagt, sie verhüte. Sie bräuchten sich keine Sorgen zu machen. Anfänglich war sie jedes Wochenende losgezogen, aber als sie merkte, dass sich immer jemand fand, nur noch an den fruchtbaren Tagen.
Einmal hatte es auch geklappt, war der Schwangerschaftstest positiv gewesen, den sie sich sofort nach Ausbleiben der Regel in der Apotheke besorgt hatte. Wie auf Wolke sieben war sie geschwebt, hatte ihr Glück kaum fassen können. Aber dieser Zustand hielt nicht lang an. Vier Wochen später bekam sie Krämpfe im Unterleib und Blutungen. Sie verlor das Kind. Vielleicht als Strafe für ihr liederliches Leben? Sie wusste es nicht. In ihrer Verzweiflung hatte sie sich ihrem Arzt anvertraut. Der hatte sie an einen Kollegen überwiesen, der aufs Kinderkriegen spezialisiert war. Eigentlich nicht nur aufs Kriegen, sondern vor allem auch auf das Machen. Dr. Merizadi. Sie war so froh, als er ihr bereits bei ihrem ersten Besuch sagte, er könne ihr helfen.
Wie gewöhnlich war das griechische Restaurant in der Uhlebüller Dorfstraße gut besucht. Vor allem an einem Samstagabend war der Andrang besonders groß. Schließlich hatten die meisten Leute am Sonntag frei. Da konnte man mal ein wenig länger machen.
Als Dirk Thamsen die Gaststätte betrat, grüßte der Wirt ihn vom Tresen aus und deutete mit einem Kopfnicken zu einem Tisch in einer der gemütlichen Nischen. Dort saßen Haie und Tom, die ebenfalls Stammgäste im Restaurant waren. Thamsen trat an den Tisch und klopfte mit der Faust zur Begrüßung darauf. »Moin.« Die beiden hatten ihn erst jetzt bemerkt. Tom stand auf, um Platz für ihn zu machen. »Meinen allerherzlichsten Glückwunsch«, gratulierte Thamsen und klopfte ihm auf die Schulter.
»Danke schön. Komm, setz dich. Was magst du trinken?« Tom winkte bereits die Bedienung an den Tisch und Thamsen entschied sich für ein Bier.
»Und wie geht es Marlene?«
»Ganz gut so weit.« Der Kellner brachte das Bier und sie stießen an.
»Ist toll, dass du Zeit gefunden hast. Hast bestimmt eine Menge um die Ohren, oder?«, fragte Haie, nachdem sie alle einen Schluck getrunken hatten. Er war neugierig, was es Neues in dem Fall der Leiche in Ladelund gab. Eigentlich durfte Thamsen natürlich nicht über die Ermittlungen sprechen, aber bei den Freunden machte er meist eine Ausnahme, denn schon des Öfteren hatten sie ihn bei der Aufklärung eines Falles unterstützt.
Doch diesmal konnte Thamsen den beiden nichts Neues berichten. Seit dem Telefonat mit Haie hatten sich keine weiteren Hinweise ergeben. Außer von seinem seltsamen Gefühl, das er beim Besuch der Witwe gehabt hatte, konnte er daher nicht viel berichten.
»Also, Marlene kennt diesen Arzt nicht. Die ist bei einer Frauenärztin hier in Niebüll. Aber ihre Bettnachbarin war wohl bei dem in Behandlung, hat sie erzählt.« Natürlich hatte man sich auch im Krankenhaus über den toten Arzt unterhalten.
Thamsen wurde hellhörig. »Hat die denn was gesagt?«
»Nee,« entgegnete Haie. Die Miriam sei eine ganz Stille. Außerdem ging es ihr wohl nicht so gut und dem Kleinen auch nicht. »Hatte gar nichts von der Schwangerschaft mitgekriegt. Die Miriam ist ja auch noch recht jung.«
Thamsen kannte die Bettnachbarin zwar nicht, konnte sich aber gut vorstellen, welch ergiebiges Gesprächsthema so ein junges Ding im Dorf ergab. Insbesondere, wenn vielleicht noch nicht einmal ein offizieller Vater existierte. Da wurde sich dann schnell mal das Maul über solch ein Mädchen zerrissen.
»Waren es denn wirklich Rechtsradikale, die den Arzt umgebracht haben?«, hakte nun Tom nach. »In der Zeitung haben die ja davon geschrieben, es gäbe hier in Norddeutschland eine ziemlich aktive Szene. Stimmt das?«
»Na ja«, entgegnete Thamsen. Er hatte sich zwar über die Berichterstattung der Zeitung geärgert, aber leugnen konnte man nicht, dass es hier etliche Rechtsradikale gab. Und der Stapel an Akten, den sein Mitarbeiter rausgesucht hatte, zeigte ganz deutlich, wie aktiv sie waren. Dennoch stand zum jetzigen Zeitpunkt nicht fest, ob die Szene überhaupt etwas mit dem Mord zu tun hatte.
»Aber es sieht ganz danach aus, oder?«, mischte Haie sich nun ein. »Ein Ausländer, ermordet und dann noch vor der KZ-Gedenkstätte. Also das ist ja beinahe mehr
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