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Friesenkinder

Friesenkinder

Titel: Friesenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Duenschede
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ist Dr. Merizadi gegen 22:00 Uhr noch zu einem Notfall gerufen worden.«
    »Das könnte passen«, bestätigte Dr. Becker übers Telefon. »Wir haben aber noch etwas Interessantes herausgefunden. Der Täter ist auf jeden Fall Linkshänder. Das können wir anhand des Stichkanals mit Sicherheit sagen.«
    »Linkshänder«, wiederholte Thamsen murmelnd. Diese Information war sehr wichtig. Auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt nichts damit anfangen konnten. Aber für die spätere Beweisführung war das äußerst relevant. Doch Dr. Becker hielt noch eine bedeutende Neuigkeit parat.
    »Außerdem weist der Körper Druckstellen auf, die post mortem entstanden sind. Der Täter muss die Leiche auf oder in irgendetwas Fahrbarem an den Fundort gebracht haben. Vielleicht eine Schubkarre oder so. Durch einen bloßen Transport im Kofferraum können die jedenfalls nicht entstanden sein.«
     
    Am Ende der Konferenz wurden einige Aufgaben verteilt. Die Spurensicherung wollte noch einmal an den Fundort fahren und aufgrund von Dr. Beckers Infos nach Hinweisen für ein Transportgefährt suchen. Gunter Sönksen sollte in Ladelund ein paar Aussagen hinterfragen und Thamsen wollte der Praxis des Ermordeten einen Besuch abstatten. Seltsamerweise übernahmen die beiden Husumer Kollegen keinerlei Aufgaben, aber Dirk verkniff sich einen Kommentar.
    Er schmiss lediglich die Akten auf seinen Schreibtisch und machte sich gleich auf den Weg. Er hoffte, die Helferinnen noch anzutreffen, denn mit Sicherheit war die Praxis geschlossen worden. Er übersah durch seine Eile den Zettel auf seinem Tisch mit der Bitte von Haie Ketelsen um einen Rückruf. Flinken Schrittes ging er durch den Flur zum Ausgang und war sogleich darauf verschwunden.
    Draußen war es noch gar nicht richtig hell geworden. Typisches Novemberwetter. Dicke graue Wolken verhüllten den Himmel und ein kräftiger Wind peitschte den permanenten Nieselregen seitwärts. Thamsen raffte seine Jacke zusammen und rannte über den Parkplatz zu seinem Wagen.
    Die Praxis lag in einem Wohngebiet gleich am Ortseingang. Er fuhr über den sogenannten Schnapsweg und fragte sich wie jedes Mal, wann die Straße wohl endlich anständig ausgebessert würde. Der Weg war ohnehin schon schmal und durch die vielen Kurven gefährlich. Aber aufgrund der zahlreichen Schlaglöcher wurde das Risiko, in einen der tiefen Gräben links und rechts des Weges zu rutschen, deutlich erhöht. Selbst ohne einen entsprechenden Alkoholpegel, denn den Namen Schnapsweg hatte die Straße ursprünglich daher, weil viele alkoholisierte Fahrer Bekanntschaft mit den steilen Flanken der Fahrbahn gemacht hatten.
    Am Eingang der Praxis hing ein Schild: ›Wegen Trauerfall geschlossen‹. Thamsen zweifelte an der Korrektheit der Formulierung, denn eigentlich war der Inhaber der Praxis tot und es war fraglich, ob hier der Betrieb fortgeführt werden konnte. Er drückte den Klingelknopf neben der schweren Haustür. Doch statt des erwarteten Türsummers meldete sich eine Stimme aus der Gegensprechanlage.
    Knack. »Tut mir leid, aber wir haben heute keine Sprechstunde.« Knack.
    »Hier ist Kommissar Thamsen.«
    »Polizei?«
    »Ja.«
    Endlich wurde der Türsummer betätigt und er drückte die schwere Tür auf. Bereits im Hausflur empfing ihn der Geruch aus einer Mischung von Desinfektionsmittel und etwas, das er nicht benennen konnte. Er hasste alles, was mit Kranksein zu tun hatte, wenngleich diese Praxis sich ja eher um das werdende Leben und Schwangere kümmerte. Dennoch fühlte er sich hier nicht wohl und hoffte, die Befragung schnell hinter sich bringen zu können.
    Aus einer der Türen im Flur streckte sich ihm ein blonder Schopf entgegen. »Können Sie sich ausweisen?«
    »Selbstverständlich«, erwiderte Thamsen und kramte in seiner Jackentasche nach seinem Dienstausweis. Er fragte sich, ob die junge Frau zu viele Krimis im Fernsehen angeschaut oder schlichtweg Angst hatte.
    Mit ausgestrecktem Arm hielt er ihr das Papier entgegen und sie studierte mit zusammengekniffenen Augen die Legitimation.
    »Okay«, befand sie schließlich und trat einen Schritt zur Seite. Er folgte der Frau durch einen schmalen Gang, an dem links und rechts Babyfotos hingen, bis zum Empfangstresen. Dort saß eine zweite Arzthelferin. Ihre Augen wirkten verquollen und in der Hand knüllte sie nervös und etwas hilflos ein Papiertaschentuch.
    Der Mord an ihrem Arbeitgeber schien sie mehr als schockiert zu haben.
    »Kommissar Dirk Thamsen«, stellte er sich vor.

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