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Friesenrache

Friesenrache

Titel: Friesenrache Kostenlos Bücher Online Lesen
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war sich aber unsicher, wie der Kommissar seine Neugierde an dem Fall deuten würde.
      »Ja, dann will ich mal«, sagte er deshalb. Als Sophie Carstensen Anstalten machte, ihn zur Tür zu begleiten, wies er sie zurück.
      »Ich find schon allein raus!«
      Draußen atmete er erst einmal tief durch. Die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel. Der Wind wehte kräftig. Haie zog den Reißverschluss seiner Jacke hoch und nahm sein Fahrrad.
      Ein Unfall, überlegte er, als er auf sein Mountainbike stieg und kräftig in die Pedale trat, um gegen die steife Brise anzuradeln. Aber wer hatte die Leiche ins Maisfeld geschafft und warum? Nur um einen Unfall zu vertuschen oder steckte da womöglich doch mehr dahinter? War Kalli überhaupt sofort tot gewesen? Falls nicht, musste die Polizei dann nicht trotzdem in einem Mordfall ermitteln?
      Insgeheim ärgerte er sich, bei dem Gespräch mit Thamsen so zurückhaltend gewesen zu sein. Es war ja nicht verboten, sich für die Ereignisse, die sich in seinem näheren Umfeld abspielten, zu interessieren. Immerhin hatte man die Leiche eines Schulfreundes direkt hinter seinem Haus gefunden. Da durfte man ja wohl ein paar Fragen stellen, oder?
      Kurz entschlossen bremste er und kehrte um.Marlene hatte sich nach dem Frühstück in ihr Arbeitszimmer zurückgezogen. Tom war zu einem Geschäftstermin nach Flensburg gefahren, und sie nutzte die freie Zeit, um endlich einmal ausgiebig in den Büchern zu stöbern, die sie sich beim ›Noordfriisk Instituut‹ ausgeliehen hatte. Bei der Gelegenheit wollte sie auch nachschauen, ob sie etwas über die Sage vom Gespenst mit dem Grenzpfahl ausfindig machen konnte. Einer der Männer hatte die Spukgeschichte gestern in der Gastwirtschaft erwähnt, als man über die beim Skatspiel an Kalli Carstensen verlorenen Fennen diskutiert hatte.
      Sie war immer wieder aufs Neue davon fasziniert, wie hartnäckig sich die alten Erzählungen in dieser Gegend hielten. Vielleicht war es eine Eigenart der Menschen hier, die nur zu gern an ihren Traditionen festhielten. Und sicherlich trugen auch die raue Landschaft und das oft düstere Wetter dazu bei. Trotzdem erstaunte es sie, wie präsent die Geschichten aus vergangenen Zeiten auch heutzutage hier im Norden immer noch waren.
      Sie blätterte interessiert in einer Märchensammlung, doch in der wurde sie nicht fündig. Erst im dritten Buch, das sie zur Hand nahm, entdeckte sie schließlich die alte Sage von dem Gespenst, das einst in den niedrigen Fennen zwischen Lindholm und Maasbüll getobt haben sollte. Angeblich war es ein Mann mit einem großen Pfahl auf dem Nacken gewesen, der über die Fennen stürmte und dabei unentwegt schrie: »Wo schall ik den Paal daalschlan? Wo soll ik den Paal daalschlan?« Der Sage nach ging er schon sehr lange dort um, tat jedoch niemandem etwas zuleide. Die Leute liefen meist still vorüber, niemand kümmerte sich um das Gespenst.
      Bis einmal zwei Nachbarn zusammen vom Markt
    zurückkamen. Der eine war angetrunken. Als sie nun an dem Gespenst vorbeikamen, das wieder zu seinem merkwürdigen Ruf ansetzte, fragte der Betrunkene: »Wat seggt de Kerl?« Der andere hielt ihn zum Schweigen an. »Ik will awer weten, wat he seggt«, beharrte der alkoholisierte Mann und rief das Gespenst an. Sogleich stand es vor ihnen und stellte seine ewige Frage: »Wo schall ik den Paal daalschlan?«
      Der durch den Schreck plötzlich ernüchterte Mann, faltete seine Hände und antwortete: »In Gottes Namen, schlaag em dall, wo he fröer staan hett!«
      Der Geist bedankte sich für die Worte, auf die er schon seit über 100 Jahren gewartet hatte, und rannte los, um den Pfahl dort niederzuschlagen, wo er einst gestanden hatte. Dann war er verschwunden.
      In der Erklärung zu der Sage las Marlene, dass der Mann nach seinem Tod hatte umgehen müssen, da er zu Lebzeiten den Grenzpfahl verrückt hatte. Diese Bestrafung währte, bis jemand ihn ansprach und dadurch erlös te. Sie musste schmunzeln, als sie sich vorstellte, dass Kalli Carstensen aufgrund seiner illegalen Gewinne beim Glücksspiel nun mit einem Pfahl auf dem Nacken als Geist durch die Felder wandeln würde.
      Sie schlug das Buch zu und stand auf. In der Küche stellte sie den Wasserkocher an und brühte sich einen Tee auf. Sie hatte es sich gerade mit der dampfenden Tasse am Küchentisch bequem gemacht und wollte das ›Nordfriesische Tageblatt‹ aufschlagen, als Tom nach Hause kam.
      »Hallo, meine

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