Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Friesenschnee

Friesenschnee

Titel: Friesenschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
Vom Netzwerk:
Heiligendamm. Ich bin euer Feindbild. Knallt mich einfach ab.«
    Unter dem Turm regte sich jedoch nichts.
    Das schien Halbedel nicht zu gefallen, denn er begann nun, die Einsatzkräfte zu reizen. »Hier, das ist für die kleine Nutte, die sich dort unten gewehrt hat. Die könnt ihr mit in den Sarg legen als Geschenk vom bösen, bösen Onkel.«
    Mit einem kräftigen Wurf, den Stuhr diesem kriminellen, introvertierten Schmierlappen niemals zugetraut hätte, warf Halbedel die Pistole in Richtung der Schule weg. Das scheppernde Echo ließ darauf schließen, dass irgendein Fahrzeug auf dem Parkplatz getroffen worden sein musste.
    Dennoch tat sich unterhalb des Wasserturms immer noch nichts, obwohl das Gelände inzwischen von den Polizeikräften vollständig abgeriegelt sein musste.
    Halbedel quittierte das, indem er verächtlich hinunterspuckte. Dann drehte er sich am Dachrand um und wackelte locker mit dem Po den Einsatzkräften zu. Er war sich seiner Sache sicher. Die rechte Hand steckte dabei lässig in der Jackentasche. Es war zu vermuten, dass er seine Hand jetzt an die andere Waffe gelegt hatte, die Jenny von den Kommissaren einkassieren musste.
    Stuhr drehte sich auffordernd zu Wolters um. »Wolters, nun schießen Sie endlich den Verrückten vom Dach. Oder leihen Sie mir Ihre Knarre!«
     
    Wolters blieb sachlich und schüttelte bestimmt den Kopf. »Nein, das geht nicht. Befehl von oben: Gebrauch der Schusswaffe nur im äußersten Notfall. Der auf dem Dach scheint ein Verwirrter zu sein. Es gilt die Unschuldsvermutung.«
    Stuhr verstand die Welt nicht mehr, denn schließlich hatte Halbedel das gesamte Theaterpublikum als Geiseln in Schach gehalten und zweimal auf ihn geschossen, ganz abgesehen von der Demütigung an Jenny.
    Aber Wolters wirkte nicht, als wenn er umzustimmen wäre.
    Stuhr wendete sich zu dem improvisierten Dachgastspiel von Halbedel zurück, der auf dem Turm anstellen konnte, was er wollte. Wild mit den Armen rudernd, forderte er nun die unter ihm versammelten Bereitschaftskräfte auf, näher zu treten. Dann begann er stockend, seinen Monolog fortzusetzen. »Sterben– schlafen– Schlafen! Vielleicht…«
     
    Plötzlich durchriss ein Schuss die Nacht. Halbedel schrie kurz auf und verharrte in seiner Bewegung. Er schien ernsthaft getroffen zu sein, denn er blickte gehetzt um sich, während er gefährlich nahe an der Dachkante torkelte.
    Das Schussverbot musste aufgehoben sein. Stuhr drehte sich um und sah Wolters fordernd an.
    Aber der verweigerte kopfschüttelnd wiederum, mit seiner Maschinenpistole dem bösen Spiel ein Ende zu bereiten. »Wer weiß, wer geschossen hat? Ein Komplize vielleicht?«
    Stuhr wendete sich notgedrungen wieder dem sichtlich angeschlagenen Halbedel zu, dem nicht entgangen war, dass es unterhalb des Turms unruhig wurde. »Schweine, alles Schweine!«, brüllte er in die Nacht. Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich Halbedel nun unerwartet zum Dachreiter um und nahm ihn und Wolters abwechselnd mit der Waffe ins Visier. Er musste sie längst entdeckt haben.
    Zum zweiten Mal blickte Stuhr heute in die Mündung einer Waffe. Vor Angst begann er am ganzen Körper zu schwitzen. Er bemerkte, dass sich jetzt auch bei ihm der Schweiß in der Poritze sammelte. Warum drückte Wolters nicht endlich ab?
     
    Doch Halbedel wirkte verwirrt. Er musste vom Schuss schwer getroffen sein, denn er senkte kraftlos die Waffe. Nur noch mit schwacher Stimme bellte er zum Dachreiter hin: »Jenny hat nur mich geliebt, aber auch sie ist nur eine billige Hure. Alle Weiber sind letztendlich Huren.«
    Stuhr wollte sich in diesem Moment blindlings auf den angeschlagenen Halbedel stürzen, aber er wurde von Wolters’ festem Griff am Kragen davon abgehalten.
    Der Blick von Halbedel wurde zunehmend glasig. Er wendete sich uninteressiert ab und torkelte zurück zur Dachkante, wobei er noch theatralisch versuchte, eine Hand anklagend rückwärts auf den Dachreiter zu richten. Die andere, kraftlose Hand ließ die Waffe fallen. Ein letztes Mal bäumte er sich auf, um seinen Monolog am Rande des Daches abzuschließen.
    »Sterben– schlafen– Schlafen. Vielleicht auch träum…«
    Mitten in seinem letzten Wort sackte er weg und glitt über die Dachkante. Die drei Sekunden bis zum dumpfen Aufprall kamen Stuhr wie eine kleine Ewigkeit vor.
    »Mein Gott, Wolters. Das war übel. Besonders schlimm fand ich, wie er seine Waffe auf uns gerichtet hatte. Das war ein Scheißgefühl. Haben Sie denn kein Problem

Weitere Kostenlose Bücher