Friesenschnee
Ganz schön finster.«
Sie entschieden sich für einen Holzsteg am Gemäuer, der um den Turm herum führte. Vermutlich sollte er dem Publikum den Weg zum Eingang der Spielstätte angenehm gestalten. Er nahm Jenny an die Hand, damit sie in der Dunkelheit nicht vom Weg abkamen. Die Entscheidung war richtig, denn nach einer Viertelumrundung wies ein Licht aus dem Inneren des Gebäudes den Weg zum Eingangsportal des Turms.
Stuhr war gespannt. In diesem Gemäuer war er noch nie gewesen, und es war schön, das gemeinsam mit Jenny zu erleben. Er umklammerte fest ihre Hand, und als sie gemeinsam das Portal durchschritten, war er überrascht, wie licht und hell der weiß getünchte Innenraum dieses monumentalen Backsteinbaus wirkte, der bis auf wenige kleine technische Gerätschaften von seiner früheren Funktion befreit war.
Freundlich grüßte Stuhr den uniformierten Bediensteten, der die Eintrittskarten kontrollierte. Wegen der zurückgelegten Odyssee konnte sich Stuhr eine bissige Bemerkung nicht verkneifen. »Danke sehr. Die Stromrechnung etwa nicht bezahlt?«
Jenny quetschte sofort seine Hand, als ob er etwas Unartiges von sich gegeben hätte.
Der Bedienstete schaute kurz hinaus. Dann hastete er hinter die Bühne. Ein kurzes Schaltgeräusch, und schon brannte die Außenbeleuchtung. So einfach konnte das sein.
Stuhr versuchte, sich im alten Wasserturm zu orientieren. Links vom Eingang war ein Podest aufgebaut, das umlaufend mit Vorhängen abgedeckt war. Vor dieser provisorischen Bühne standen acht Stuhlreihen, die jedoch noch nicht besetzt waren, denn das bereits eingetroffene Publikum hatte sich dahinter an einer kleinen Bar versammelt, die nur für dieses Gastspiel eingerichtet worden war.
Wie immer, wenn er mit Jenny gemeinsam eine Räumlichkeit betrat, drehten sich die Anwesenden nach ihnen um und musterten sie. Ja, Jenny und er passten schon gut zusammen. Stuhr nahm Jenny noch fester an seine Hand und war froh, dass er nicht die Gedanken der Anwesenden lesen konnte. Lebhaft konnte er sich vorstellen, was viele dachten, die neben ihren Lebenspartnern ein wenig unglücklich wirkten.
Stuhr blickte nach oben. Eine an der Innenwand befestigte Eisenleiter führte zu einer Brüstung in etwa 15Metern Höhe, die an einem umlaufenden Ringbehälter aus Metall befestigt war. Ein schmaler Laufsteg durchquerte oben den Raum, und eine weitere Treppe führte zur Turmspitze in das Innere des Dachreiters, der dem leicht abschüssigen runden Flachdach aufgesetzt war. Er wäre gerne nach oben geklettert, um den Blick auf die abendliche Stadt zu genießen, aber bereits vor der ersten Leiter versperrte eine rotweiße Plastikkette den Weg.
Anstatt an die Bar, bugsierte ihn Jenny zu einem Vorhang neben der Bühne, hinter dem sich die Schauspieler vermutlich umzogen.
Nach wenigen Sekunden wurden sie von einer aufgetakelten Diva begrüßt, die Jenny sofort umarmte und überschwänglich herzte. Sie wurde ihm als Lollo vorgestellt, die Managerin und gute Seele der Truppe. Nun zog Jenny ihn ganz fest an sich und stellte ihn als ihr neues Glück vor.
Die stark parfümierte Direktrice fiel jetzt auch ihm um den Hals, doch glücklicherweise nur kurz, denn sie stand offensichtlich vor einem existenziellen Problem. »Jenny, stell dir nur vor, der Robert, der ist spurlos vom Erdboden verschluckt. Er wollte nur kurz eine rauchen, hat er gesagt. Ohne ihn bekommen wir hier kein Bein an Deck. Ich glaube manchmal, er macht das mit Absicht, um uns zu beweisen, dass es ohne ihn nicht geht.«
Jenny konnte ihre ehemalige Chefin beruhigen. »Nein, Lollo, das würde der Robert niemals machen, du kennst doch seine Liebe zum Theater. Würde der nicht alles für unsere Truppe tun? Schließlich hat er seine Karriere für euch hingeschmissen.«
Die Direktrice begann wieder Zuversicht zu schöpfen. »Ja, ja. Du magst sicherlich recht haben, aber dann muss er auch endlich kommen.« Sie wippte nervös mit ihrem rechten Fuß, der ein wenig groß geraten schien.
Wie auf das Zuflüstern eines Souffleurs tauchte jetzt ein schwitziger, hagerer Mann im Eingangsportal auf, der mit den schmierigen langen Haaren und der abgewetzten Kleidung überhaupt nicht hierher passte. Es handelte sich anscheinend um diesen Halbedel, denn Jenny drückte vor Aufregung ganz fest Stuhrs Hand. Die Managerin stieß einen Ruf der Erleichterung aus. »Gott sei Dank, der Robert! Letzte Minute! Husch, husch, nun aber ab in die Maske!«
Halbedel nickte nur kurz,
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