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Blut ist dicker als Schminke

Blut ist dicker als Schminke

Titel: Blut ist dicker als Schminke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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1
     
    Der Clown saß im Lehnstuhl und
grinste mich mit seinen wulstigen Lippen im weiß geschminkten Gesicht an. Seine
klassisch traurigen Augen waren unbewegt auf mich gerichtet, und die rote Knollennase
glänzte im Schein der Tischlampe neben dem Sessel. Er trug das traditionelle,
formlos weite Kostüm und übergroße Stiefel mit aufgebogenen Spitzen. Jemand
hatte ihm die Halsschlagader durchschnitten, und das Blut mußte in einem
Schwall herausgeströmt sein — wie Wasser aus einem voll aufgedrehten Hahn. Der
weiße Teppich war in einem Umkreis von mehr als einem Meter mit feuchten
Blutpfützen befleckt.
    Ich verließ die Bibliothek und
schloß die Tür hinter mir. Die Leiche konnte auf den Amtsarzt und die Leute von
der Spurensicherung warten, während ich mich mit der gramgebeugten Witwe
unterhielt. Allerdings war sie, wenn ich es mir recht überlegte, gar nicht so
sehr gramgebeugt gewesen, als ich eingetroffen war. Nur ein wenig bestürzt, so
als wäre ihr das Schoßhündchen abhanden gekommen.
    Sie wartete im Wohnzimmer auf
mich. Eine kühle Blondine, höchstens fünf Zentimeter kleiner als ich,
prachtvoll und üppig gebaut. Das lange, whiskyfarbene Haar floß ihr über die
Schultern den Rücken hinunter, und der natürliche Hochmut ihrer weit
auseinanderliegenden blauen Augen war kaum gezügelt durch den Schock des
tragischen Geschehens. Sie hatte einen kleinen Mund; Ober- und Unterlippe waren
gleich voll, so daß der Mund ungeheuer sinnlich wirkte.
    »Wie lange wird es dauern, bis
die anderen kommen ?« fragte sie mit tiefer Altstimme.
    »Fünfzehn bis zwanzig Minuten«,
antwortete ich.
    Die feuchte Zungenspitze
huschte über die Oberlippe.
    »Ich brauche unbedingt etwas zu
trinken. Würden Sie mir etwas mixen, Leutnant — ?«
    »Wheeler«, sagte ich.
»Mitarbeiter des Sheriffs. Was trinken Sie ?«
    »Kognak mit Eis. Er ist
natürlich tot .«
    »Natürlich«, stimmte ich zu und
marschierte auf die Bar zu, die sich am Ende des Raums befand.
    Ich goß ihr einen Kognak ein
und mixte mir selbst einen Whisky mit Eis und einem Schuß Soda. Ein
Polizeibeamter, der im Dienst trinkt, ist ein Polizeibeamter im Glück, sage ich
immer. Sie riß mir beinahe das Glas aus der Hand, als ich wieder zu ihr trat,
und trank gierig.
    »Das habe ich gebraucht«,
erklärte sie im schönsten Klischee. »Es war schlimmer als jeder Alptraum. Als
ich in die Bibliothek kam und er mich anstarrte als ob-«, sie machte eine
Pause, um wieder aus ihrem Glas zu trinken — , »nun,
als ob er mich auslachte.« Sie schauderte. »Und die Blutlachen überall!«
    »Sie erkannten ihn gleich ?« fragte ich.
    »Ludovic?« Sie nickte eilig.
»Er war ein Mann, den man überall unter jeder Verkleidung erkannt hätte, sogar
in diesem verrückten Clownskostüm .«
    »Ludovic ?« wiederholte ich fragend.
    »Ludovic Janos«, sagte sie.
»Ich bin Nina Janos, seine Frau .« Ihre blauen Augen
weiteten sich ein wenig. »Jetzt seine Witwe.«
    Es war gegen ein Uhr morgens.
Sie trug ein langes Abendkleid aus saphirfarbenem Satin mit einem tiefen
V-Ausschnitt, der großzügige Aussicht auf gefälliges Hügelland bot. Um ihren
Hals schmiegte sich ein Brillantkollier, und es lag auf der Hand, daß sie nicht
einfach im Kino gewesen war.
    »Was war nun eigentlich los ?« erkundigte ich mich.
    »Ludovic erklärte, er müßte
geschäftlich nach Los Angeles. Er fuhr montags am Spätnachmittag ab und wollte
eigentlich erst morgen zurückkommen. Bekannte von uns gaben heute abend ein Fest und luden mich ein. Ich bekam scheußliche
Kopfschmerzen und ging ziemlich früh. Ich war schon gegen Mitternacht wieder zu
Hause. Ludovics Wagen stand in der Garage, und ich sah Licht in der Bibliothek.
Ich ging hinein, und da sah ich ihn in dem Lehnstuhl sitzen. Tot. Nachdem ich
den ersten Schock überwunden hatte, rief ich die Polizei an und wartete dann,
bis Sie kamen .«
    »Kennen Sie jemanden, der
seinen Tod gewünscht hätte ?«
    »So ziemlich jeder, der ihn
kannte, kommt da in Frage«, erwiderte sie gelassen. »Ludovic war der gemeinste
Mensch, der mir im Leben begegnet ist, und ich bin überzeugt, daß jeder, der
mit ihm zu tun hatte, der gleichen Ansicht ist .«
    »Sie wünschten also seinen Tod ?«
    Sie nickte. »Mindestens einmal
pro Tag im Durchschnitt, aber ich brachte nie den Mut auf, ihn zu töten .«
    »Sie dachten nicht daran, sich
statt dessen scheiden zu lassen ?«
    »Immer, aber meine Angst war
viel zu groß. Fast jeder, der mit Ludovic zu tun bekam, hatte Angst

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