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Friesenschnee

Titel: Friesenschnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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platt.
    Angelika hatte das vermutlich schon länger mitbekommen, denn sie kam nun aufgeregt angelaufen und wedelte mit einem Autoschlüssel vor ihm. »Lass uns tauschen, Helge. Nimm einfach meinen Wagen, und ich rufe morgen früh den Pannendienst an. Du wirst sowieso über kurz oder lang zu mir zurückkommen, nicht nur wegen der Unterschrift.«
     
    In dieser Frage war Stuhr zwar anderer Ansicht, aber er nickte kurz, um keine neuen Diskussionen aufkommen zu lassen. Ein neuer Umarmungsversuch drohte, doch bevor er sich entscheiden konnte, erschreckte ihn die aufgewühlte Angelika. »Oh Gott, Helge. Schau nur, das Zeichen bei dir auf der Heckscheibe. Das waren die Hualewjonken.«
    Er verstand sie nicht und drehte sich fragend zu seinem Auto um. »Hula was?«
    Angelika wies jetzt wortlos auf ein offensichtlich mit einem Stein in die Heckscheibe eingeritztes Symbol, das einen Bruch darzustellen schien. War das ein Zufall? Es erinnerte ihn an die Tätowierung auf dem Handrücken von diesem Ohmsen von der Seebadeanstalt, aber der hatte sicherlich mit diesem Vandalismus nichts zu tun.
    Natürlich war es ärgerlich, dass die Jugendlichen so respektlos mit seinem Eigentum umgegangen waren, aber der Schaden hielt sich in Grenzen, weil der alte Golf seine Blütezeit schon weit überschritten hatte. »Das passt doch, wenn die Halbstarken sich mit dem Bruch selbst zu halben Hähnen degradieren«, scherzte Stuhr.
    Angelikas Miene verfinsterte sich. »Wenn es so wäre, dann hätte ich keine Angst. Aber schau nur genau hin, auf dem Bruchstrich steht ein J. Das ist das Symbol der Halbdunklen. Im Föhringer Friesisch nennen sie sich Hualewjonken. Die haben sich nach deinem Kurzauftritt an meiner Haustür genüsslich an deiner Schrottlaube ausgetobt.«
     
    Verächtlich klang jetzt Angelikas Stimme, wie sie sich über seinen alten Golf ausließ. Es waren die unterschiedlichen Wertvorstellungen, die bereits früher immer wieder zu Diskussionen zwischen ihnen geführt hatten.
    Angelika warf sich, wie befürchtet, tränenerstickt an seinen Hals. »Du hattest vorhin Unrecht, Helge. Die Bronx hat Laura und mich auf Föhr schon längst eingeholt. Ich flehe dich an: Bleibe heute Nacht bitte bei mir. Tue es für Laura, nicht für mich.«
     
    Jetzt fiel es Stuhr nicht mehr schwer, sich für den Wagentausch zu entscheiden.
     

Berg und Tal
    Kommissar Hansen hatte sich nicht ohne Grund vom Kollegen Fingerloos von der Spurensicherung weggedreht, um ungestört sein Telefongespräch zu führen, was der gelangweilt mit einer gründlichen Inspektion seiner Fingernägel quittiert hatte.
    Ein unerfreuliches Telefonat. Verärgert drehte sich Kommissar Hansen um und knallte wütend sein Mobiltelefon auf den hölzernen Stehtisch im Eingangsbereich der Kieler Klosterbrauerei. Es war Hansen egal, ob das Gerät die Wucht des Aufschlags überleben würde.
    Während er sich nach dem irritierten Blick von Fingerloos schnell bückte, um den Akku und den dazugehörigen Schutzdeckel vom gefliesten Boden aufzusammeln, kommentierte der trocken seine Bemühungen.
    »Mit Verlaub, Kollege Hansen, aber momentan kann man nicht den Eindruck gewinnen, dass Sie über ein besonders glückliches Händchen verfügen.«
    Verständnislos blickte Hansen kurz Fingerloos an, bevor er sich abmühte, die aus der Form geratene Abdeckung des Akkufachs zwischen zwei filigranen Führungsschienen zurück auf das Gerät zu schieben. Seine anschließenden Versuche, dem Handy Lebenszeichen zu entlocken, blieben jedoch vergeblich. So begann Hansen, das Gerät erneut auseinanderzubauen und noch einmal zusammenzusetzen, schließlich musste er unbedingt noch mit Stuhr sprechen.
    »Sie spielen auf das Handy an, Fingerloos?«, entgegnete er gereizt.
     
    Fingerloos schüttelte leidenschaftslos den Kopf. »Nein, das meine ich nicht. Sehen Sie mich einfach als Ihren Berater. Das mit dem defekten Handy ist ein echter Glücksfall für Sie, das muss man ganz anders bewerten. Sie kennen doch die Grundsätze der Verwaltung. Wenn Sie im öffentlichen Dienst ein neues Gerät bekommen möchten, was stellen Sie dann an?«
    Hansen überlegte angestrengt. Er würde sich vermutlich an seinen verhassten Büroleiter Zeise wenden müssen, der ihn mit uralten Formularen bombardieren würde, die noch mehr oder weniger kunstvoll mit der Schreibmaschine erstellt waren. Sicher war nur, dass eine Neubeschaffung endlos dauern würde. Das könnte Wochen ohne Mobiltelefon bedeuten, eigentlich undenkbar in der heutigen

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