Friesenwut - Kriminalroman
der
Krankenwagen käme und der Notarzt Freya professionell versorgen würde.
Hoffentlich gab sie nicht jetzt, im letzten Augenblick, bevor Hilfe kommen
würde, auf und überließ sich anderen Mächten, welchen auch immer. Meinhard und
Siebelt starrten immerzu auf die Verletzte, die, obwohl der Sturz in den Straßengraben
ihr selbst und der Kleidung sichtlich Schaden zugefügt hatte, immer noch
Schönheit und Anmut ausstrahlte, die den Eindruck der Männer verstärkte, dies
alles sei gar nicht wahr, ein Traum, wenn auch ein schlechter. Freya passte
nicht in einen kalten Straßengraben, das total zerstörte Fahrrad daneben … Es
war still, nach wie vor war kein Auto zu hören, nur ein leises Vogelrufen in
der Ferne. Ein paar Enten waren Richtung Deich unterwegs, es war Ebbe und das
Watt hatte reichlich zum Frühstück aufgetischt. Die Männer standen dort, als
hielten sie Totenwache.
3
Siebelt
kehrte wieder auf die Straße zurück, um den Krankenwagen zur Verletzten zu
lotsen. Endlich leuchteten am Horizont, dort, wo die Linie der Straße fast ohne
Übergang in den Himmel überzugehen schien, zwei Scheinwerfer auf. Das Blaulicht
hob sich deutlich aus dem Grau dieses Morgens ab. Eine Sirene war nicht zu
hören. Offenbar verzichtete man darauf, da die Verkehrsdichte es nicht
erforderlich machte. Schnell näherte sich der Krankenwagen und blieb
schließlich vor dem heftig gestikulierenden Siebelt stehen. Fahrer und
Beifahrer sprangen heraus.
»Wo ist die Verletzte?«
»Sie liegt dort unten im Graben,
folgen Sie mir«, informierte Siebelt und zeigte auf den mittlerweile ziemlich
ausgetrampelten Weg im Schilf.
»Okay«, antwortete der Fahrer,
»ich fahre den Wagen jetzt so an die Seite, dass wir die verletzte Person
möglichst einfach hineinschieben können.«
Der Fahrer sprang wieder in den
Wagen und begann zu rangieren. Der Notarzt war indessen auf den Hinweis von
Siebelt hin die Böschung hinunter gerannt, sah Meinhard Harms und war in
kürzester Zeit bei der Verletzten.
Als der Krankenwagen die aus Sicht
des Fahrers richtige Position eingenommen hatte, stellte er den Motor ab und
rannte mit einem »Kommen Sie!« an Siebelt vorbei zur Unfallstelle. Das
Blaulicht drehte stumm seine Runden.
Der Notarzt
entschied, dass Freya transportabel war. Der Blutdruck sei zwar sehr weit
unten, aber einigermaßen stabil. Sicher hatte sie sich allerhand gebrochen. »Sie
ist nicht bei Bewusstsein, doch ich denke, wir können verantworten, sie
vorsichtig auf die Trage zu legen. Auf jeden Fall muss sie so schnell wie
möglich ins Krankenhaus … Ich zähle auf Ihre Hilfe!«
»Sicher«, bemerkte Siebelt.
»Ist doch selbstverständlich«,
antwortete Meinhard und fügte hinzu: »Sagen Sie uns nur, was wir tun sollen,
und vor allem, wie. Wir sind Laien in der Notfallversorgung.«
»Irgendeinen Erste-Hilfe-Kurs muss
jeder mal gemacht haben. Keine Angst, ich sage Ihnen schon, wie es funktionert.
Das größte Problem ist, die Dame diese verdammt steile Böschung
hinaufzubekommen. Es darf vor allem keiner ausrutschen, hören Sie? Lieber etwas
langsamer, dafür sicher, als zu schnell, und wir liegen am Ende alle im
Schlamm.«
Die Männer nahmen
sich der Gliedmaßen Freya Reemts’ an, um sie dann gleichzeitig, und so
vorsichtig wie möglich, auf die Trage zu legen. Der Notarzt zählte und bei
›drei‹ wurde Freya angehoben. Es gelang. Die Frau zeigte keine Regung. Überall
auf ihrem Gesicht war Blut, teils schon verkrustet. Jetzt hoben die Männer die
Trage mit vereinten Kräften an. Die Böschung war nicht einfach zu überwinden.
Freya war festgeschnallt, der Anstieg allerdings so steil, dass die vorderen
Männer sozusagen auf den Knien rutschen und die hinteren –Meinhard und
Siebelt – ihre Arme so weit wie möglich nach oben strecken mussten. Unter
den klaren Anweisungen des Notarztes schafften sie es schließlich und standen
mitsamt der Trage direkt vor dem offenen Krankenwagen. Der Arzt und der Fahrer
spurten die Trage ein und Meinhard und Siebelt schoben sie langsam voran, bis
sie einrastete.
»In welches Krankenhaus kommt
sie?«, fragte Meinhard.
»Nach Norden. In Emden
haben wir angerufen. Alles voll belegt. Und es sind wieder Betten gestrichen
worden, Sie wissen ja, die x-te Gesundheitsreform! Also … wir müssen los. Jeden
Moment müsste die Polizei vor Ort sein, Sie bleiben so lange hier?«
»Klar, machen wir«, antwortete
Meinhard, »wir warten, bis die Polizei vor Ort ist.«
»Und
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