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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marvin Entholt
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enorme Schar an Schaulustigen. Man hätte leichter aufzählen können, wer sich nicht am Deich eingefunden hatte.
    Natürlich gehörte Wilmine Ahlers nicht zu den Fehlenden. Ärgerlicherweise hatte sie keinen Platz in den vorderen Reihen mehr bekommen, und so reckte sie nun ihren Hals, um einen möglichst guten Blick auf die Ortsbegehung zu erhaschen.
    Oben auf dem Deich blieben einige Radfahrer stehen, die den Auflauf am flusszugewandten Deichfuß neugierig betrachteten. Vermutlich Urlauber, die abseits der Hauptsaison ihre Zeit damit verbrachten, sich im steten Gegenwind – und es war egal, in welche Richtung man fuhr, der Wind kam immer von vorn – abzustrampeln.
    Von den Einheimischen hatte dafür keiner Verständnis, auch wenn sie sich mit unterschiedlichem Erfolg bemühten, den Fremden freundlich zu begegnen. Vielen schien allerdings der Aufwand, Freundlichkeit an den Tag zu legen, in einem krassen Missverhältnis zu stehen zu dem Erlös, den man von den Fremden erwarten konnte. Ganz doof waren die Friesen ja auch nicht, da sollte man mal bloß nicht zu sehr den abgedroschenen Witzen glauben. Diese Art von Urlaubern war nicht die, die viel Geld in den Pensionen und Kneipen ließ. Die kamen mit dem Wohnmobil und nahmen sogar ihre Mettwurst von dort mit, wo sie noch Salami hieß.
    POM Busboom ließ sich von den Jungs hinterm Deich zeigen, wo sie die Waffe gefunden hatten. Zur Sicherheit hatte er geprüft, ob auch keine Patronen mehr in der Trommel waren. Er sah sich als einen mit allen Wassern gewaschenen alten Hasen. Dass die Waffe allerdings unter Umständen ein Fall für die Spurensicherung sein könnte, kam ihm etwas spät in den Sinn.
    In einem der Selbstgespräche, die er schon als Kind zu führen pflegte, wischte er flugs seinen eigenen Einwand fort: Es war ohnehin schon längst zu spät. Jede Menge Kinder- und Polizeiobermeister-Fingerabdrücke würden eine Untersuchung unsinnig machen.
    Malte und Heiner zeigten mit größtmöglicher Umständlichkeit den Fundort, korrigierten sich gegenseitig, wenn es um die Position der Waffe ging, justierten sie um einige Grade und Zentimeter hin und her, um die Minuten ihrer allergrößten Wichtigkeit endlos zu dehnen.
    Polizeiobermeister Busboom hatte auch das Tuch dabei, in das der Revolver eingewickelt gewesen war, und als es ihm von der Schulter rutschte, über die er es sich lässig geschwungen hatte, griff es sich einer der Schaulustigen aus der ersten Reihe, und schnell machte es die Runde unter den Umstehenden.
    Mit spitzen Fingern wurde der schmuddelige Lappen weitergereicht, halb angeekelt, halb fasziniert, ein Stück Stoff zu berühren, das möglicherweise mit einem Kapitalverbrechen zu tun hatte.
    Es wurden Vermutungen getuschelt, wem Tuch und Waffe wohl gehören mochten. Das Stück Stoff war augenscheinlich nicht erst im Schilf so dreckig geworden. Die Spuren deuteten auf ausgiebigen Gebrauch in einem Haushalt hin, stellten die versammelten Amateurdetektive übereinstimmend fest.
    Doch wer würde einen so ekligen Lappen überhaupt benutzen, ohne ihn je zu waschen? Im Dorf legten schließlich alle Wert auf Ordnung und Reinlichkeit!
    Alle?
    Es war Wilmine Ahlers, die messerscharf schlussfolgerte, wem das Tuch und damit der Revolver nur gehören konnten: »Johann!«

10
    Es wollte einfach nicht dunkel werden. Aber hell auch nicht so richtig, schon den ganzen Tag nicht. Der Himmel hing tief und tauchte das Innere der Häuser in eine endlose Dämmerung.
    Enno hatte es sich in seiner Küche auf dem Sofa bequem gemacht. Auf dem Boden neben sich eine vor Kälte beschlagene grüne Bierflasche mit goldenem Etikett, unter dem Lichtkegel der stoffbespannten Stehlampe das antiquarisch erworbene Werk »Schafe. Eine Anleitung zur Züchtung, Haltung und Nutzung mit 57 Abbildungen« aus dem Deutschen Landwirtschaftsverlag.
    Enno nahm einen Schluck, sabberte aufgrund seiner verqueren Liegehaltung ein wenig, setzte sich aufrecht und schlug das Buch auf. Er überflog das Inhaltsverzeichnis, schaute genauer und musste feststellen, dass dieses als Standardwerk gepriesene Bändchen im Kapitel »Schafrassen« seine Haarschafe mit keiner Silbe würdigte! Das war eine große Enttäuschung.
    Mürrisch blätterte Enno in dem Buch herum. »Schafkrankheiten«, nee, lass mal, pfui Deibel, das war ja wie mit der Apothekenzeitung, kaum las

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