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Friesisch Roulette

Friesisch Roulette

Titel: Friesisch Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marvin Entholt
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versuchte, schneller zu trinken, als die Gedanken sich einstellten, um sie zu verbannen, aber sie waren schneller als das verflixte Bier, das gab’s doch gar nicht.
    Das Einzige, was Johann gelang, war, weit vor der üblichen Zeit beim sechsten Bier anzukommen und sich so zu verwirren, dass die Gedanken, die nicht aufhören wollten auf- und abzutauchen, in einem großen Durcheinander durch seinen Kopf schwirrten, schlimmer ineinander verhakt als die Wäscheständer von Heinrich Siedenbiedel, keine Chance auf Entwirrung. Der glückliche Heinrich, sein Problem war mechanisch zu lösen.
    Vielleicht noch ein Bier.
    Da klopfte es in der Diele.
    Eine Stimme rief: »Johnny?«
    Johann schaute in die Diele.
    Â»Harm«, begrüßte er mit schwacher Begeisterung seinen Gast.
    Polizeiobermeister Harm Busboom kam näher. Er trug schon Zivil, allzu dienstlich konnte es also wohl nicht werden.
    Â»Bier?«, fragte Johann seinen Besucher.
    Â»Warum nicht?«, antwortete der.
    Beide saßen eine ziemlich lange Weile in Johanns Küche und schauten schweigend in ihre Bierflaschen. Oder auf das Etikett mit der Windmühle. Das ließ sich nicht so genau sagen.
    Â»Und?«, fragte Harm Busboom.
    Â»Joa«, war Johanns Antwort.
    Beide nahmen einen langen Zug aus ihren Flaschen, stellten sie synchron wieder auf den Küchentisch und fielen ebenso synchron in die nächste Phase des Schweigens.
    Â»Der Enno hat jetzt Schafe«, wurde Harm nach einer längeren Pause geradezu redselig.
    Â»Hm«, brummte Johann.
    Â»Aber so’n neumodischen Krams. Haarschafe. Schon mal gehört?«
    Â»Mm-mm«, verneinte Johann.
    Â»Da gibt’s unsere guten Milchschafe, und dann schleppt der ’ne neue Rasse hier ein.«
    Johann schwieg, und Harm konnte nicht so recht ausmachen, ob es an seiner erschütternden Botschaft von der sich anbahnenden Überfremdung des Schafbestands lag oder an grobem Desinteresse.
    Â»Die geben nicht mal Wolle«, legte Harm nach und spekulierte auf Johanns schockierte Reaktion.
    Doch Johann schwieg. Schafe waren im Moment nicht gerade sein Kernthema, obwohl er froh war, dass Harm wenigstens nicht versuchte, in Erinnerungen zu schwelgen. Weißt du noch, wie lange ist das jetzt her, Mann, waren wir drauf … – das alles blieb ihm erspart.
    Johann schaute Harm dankbar an. Sogar der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht, die Muskulatur unterhalb seines linken Auges entschied sich selbstständig für ein leichtes Zwinkern, das aber genauso gut auch ein nervöses Zucken hätte sein können.
    Johann stand auf, holte zwei neue Flaschen aus dem Kühlschrank und stellte sie auf den Küchentisch.
    Â»Nee, lass mal«, wehrte Harm ab, »ich muss dann so langsam.«
    Er erhob sich und steuerte auf die Tür zur Diele zu, als er sich noch mal zu Johann umdrehte, der ihm hinterherschlurfte.
    Â»Ach ja …« Harm nestelte in seiner Jackentasche und förderte Johanns schmuddeliges Küchentuch zutage. »Kennst du das hier?«
    Johann war von seinen nicht zu bändigenden Gedankenfetzen, durch die nun auch noch wollfreie Schafe kreuzten, so besetzt, dass er gar nicht richtig hinsah und umso leichter antworten konnte.
    Â»Nö«, sagte er geistesabwesend.
    Â»Dacht ich mir«, sagte Harm und stopfte das Tuch zurück in seine Tasche. »Man sieht sich.« Er hob grüßend die Hand an einen imaginären Mützenschirm.
    Â»Man sieht sich«, erwiderte Johann, bemüht, nicht unhöflich zu wirken.
    Â»Ach, danke fürs Bier«, klang es noch aus dem Dunkel der Diele.

12
    Nicolaj saugte an dem harten Gummischlauch. Ein genießbares Getränk wäre ihm deutlich lieber gewesen, aber dies war jetzt wichtiger. Er saugte, bis er den beißenden Geschmack der Flüssigkeit an seiner Zunge spürte. Kindheitserinnerungen flackerten auf.
    Er nahm den Schlauch aus dem Mund, steckte ihn in den Blechkanister und lauschte dem feinen Rinnsal des Diesel, das sich aus dem Tank des alten Deutz-Traktors in den Behälter ergoss.
    Nicolaj schaute sich um. Dass er in einem einzigen Schuppen alles gefunden hatte, was er brauchte – ein Fahrzeug mit vollem Tank, einen Kanister und sogar einen Schlauch –, hielt er seiner Spürnase zugute.
    Â»Na boga nadejsja, a sam ne ploshaj«, murmelte er und klopfte sich innerlich auf die Schulter, vertraue auf Gott, sei aber selbst auch nicht

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