Frisch gepresst: Roman (German Edition)
bißchen Kinderkriegen. Früher haben die Frauen kurz die Feldarbeit unterbrochen und ihre Kinder geboren und dann gleich weitergeschafft, die hatten gar keine Zeit für solche Fisimatenten wie ihr heute.« In ihren enthusiastischen Erzählungen unterschlägt sie allerdings gern, daß sie selbst auch keine Bäuerin war und gemütlich im Krankenhaus entbunden hat. 1. Klasse. Es sei ihr gegönnt. Ist doch auch angenehm, wenn man die erste Zeit patente Menschen um sich hat, Menschen wie Schwester Huberta, die einem die gröberen Arbeiten mit dem Kind abnehmen. Ich bin sicher, ich werde noch genug Zeit mit dem Frischgeborenen verbringen. Weglaufen kann es mir in den ersten Monaten ja wohl kaum. Ein großer Vorteil der ganz Kleinen. Man kann sie ablegen und wird sie da, wo man sie hingelegt hat, auch wieder finden.
Ich entschließe mich, als erstes das Buch zu lesen, das mir meine Freundin Sabine so ans Herz gelegt hat. Ein Roman, der im Krankenhaus spielt. »House of Gods«. In Amerika der Topseller, und zu Recht. Ist phantastisch. »Nimmt einem jede Illusion, was die Weißkittel angeht, und wenn du eh im Krankenhaus liegst, dann kann das ja nicht schaden«, sagt Sabine, und die muß es wissen, schließlich ist sie verrückt auf Arztgeschichten. Ihr Traummann ist George Clooney, der Kinderarzt aus der Fernsehserie »Emergency Room«. Deswegen ist sie auch immer noch solo. Sie will einfach nicht kapieren, daß Männer wie Clooney im wirklichen Leben äußerst selten vorkommen. Und wenn, haben sie auch nicht gerade auf Sabine gewartet. Ich mag meine Freundin natürlich sehr, aber irgendwann sollte eine Frau in ihrem Alter begreifen, daß Fernsehen und das wahre Leben wenig gemein haben.
Daß sie meinen kleinen Bruder verschmäht, den ich ihr wirklich mehrfach wie Sauerbier angeboten habe und der, wäre Inzest nicht strafbar, sogar mir gefallen könnte, ist eine andere Sache.
Aber ihre Buchtips sind verläßlich. Auch »House of Gods« beginnt vielversprechend:
»Das Leben ist wie ein Penis; ist es schlaff, kannst du es nicht in den Griff kriegen. Ist es hart, wirst du aufs Kreuz gelegt.« Während ich darüber nachdenke, ob das ein Spruch für Kerle oder Frauen sein soll, passiert’s.
Mitten rein in die unglaublich schöne Stille knallt der erste. Eindeutig von links. Vornehme Menschen nennen es einen Pups. Das aber war, was die Lautstärke angeht, eindeutig ein Furz. Und was für einer. »Ach, meine Flatulenzen, da kann man nix gegen machen«, outet sich Frau Tratschner ohne jedes Schuldgefühl:
»Seit dem Kaiserschnitt ist da alles ganz durcheinander. Als wäre mein Magen-Darm-Trakt beleidigt, daß da einer rumgeschnippelt hat. Seit drei Tagen habe ich nicht mehr. Aber ich hab so ein Gefühl, als könnte es heut abend was werden. Ist das nicht großartig?«
»Verlaß dich ganz auf deine Intuition; wenn dein Bauch ja sagt und will, dann wird das schon«, vermeldet Waschbecken-Inge. »Ich habe gestern und heute auch nur so kleine harte Knödel rausgedrückt, eigentlich ja logisch.«
Was daran logisch sein soll, ist mir ein Rätsel. Inge setzt ihre Verdauungsgeschichte ungefragt fort, fast, als hätte sie meine nicht geäußerten Bedenken gehört: »Mein Unterleib zeigt dadurch die Härte, die er fühlt. 9 Monate hat er mit Konstantin Samuel David gemeinsam verbracht, und nun ist da diese Leere. Unbarmherzig und abrupt.« Frau Tratschner, sichtlich beeindruckt von diesen schwachsinnig, pseudo-esoterischen Ausführungen, klingelt nach der Schwester und der Bettpfanne. Na, das kann ja ein Späßchen werden. 3 erwachsene Frauen, junge Mütter in freudiger Erwartung von Frau Tratschners erstem Stuhlgang. Ich bin peinlich berührt. Schließlich gehöre ich zu den Frauen, die sich selbst auf dem Betriebsklo schwertun, richtig mit Genuß abzufurzen. Es könnte ja jemand reinkommen. Oder auf dem Nebenklo sitzen. Früher bin ich sogar soweit gegangen, beim Pinkeln die Spülung zu ziehen, um nur ja keine Geräusche von mir zu geben. Natürlich nur, wenn andere in der Nähe waren. Zum Beispiel bei Abendeinladungen. Die müssen ja nicht aufs Tröpfchen genau meine Pinkelei verfolgen, während sie ihr Tiramisu löffeln.
Ökologisch bedenklich und ein gefundenes Fressen für jeden Analytiker: Gestörtes Verhältnis zu den eigenen Ausscheidungen.
Was das über meinen Charakter und mein weiteres Leben aussagt, will ich gar nicht wissen. Aber da es auf den meisten öffentlichen Toiletten ruhiger zugeht als daheim, scheinen viele
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