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Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Frisch gepresst: Roman (German Edition)

Titel: Frisch gepresst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Christoph, der mit halboffenem Mund weiterhin die bizarrsten Schnarchgeräusche von sich gibt. Ich gehe richtig nah ran mit der Polaroid. Er hat nichts gemerkt. Die Zunft der Privatdetektive wäre stolz auf mich.
    Am nächsten Morgen mein perfekter Auftritt. Eine gute Inszenierung ist wichtig. Ich wecke ihn mit einer Tasse Kaffee. Viel Milch, kein Zucker, ganz wie es der Herr liebt. Als er nach den ersten Schlucken halbwegs bei Bewußtsein ist, kuschele ich mich an ihn und hauche ihm ein »Ohne dich ist das Bett ganz schön leer« ins Ohr. Über soviel Aufmerksamkeiten am frühen Morgen ist Christoph leicht verdattert. Aber er genießt es. Wenn auch irritiert. Gerade Männer, die nicht andauernd umsäuselt werden, wissen so was zu schätzen. Permanente Nettigkeit wird nicht gedankt. Das ist leider ein Fakt. Liebenswürdigkeiten, als Überraschungshäppchen dargeboten, bringen mehr.
    Eine Viertelstunde später sitzt der frisch geduschte Jungjurist am nett hergerichteten Frühstückstisch. Getreu dem Motto: eine schöne Situation wird durch die passende akustische Untermalung noch schöner, schiebe ich die Schnarch-Kassette in unsere Anlage, drehe auf volle Lautstärke und warte auf eine Reaktion. Dummerweise erkennt sich der Interpret nicht sofort: »Ist das so ’ne CD mit Walfischgesängen?« erkundigt er sich schmatzend. »Nicht direkt«, antworte ich etwas hämisch. Ich gehöre zu den Menschen, die sich offen und ehrlich zu einer gewissen Schadenfreude bekennen. Beim Griff zum zweiten Vollkornbrötchen dämmert es ihm. Und er lacht. Nicht verlegen, sondern aus vollem Hals. Anfallartig.
    In diesem Moment habe ich beschlossen, ihn zu behalten.
    Ein Mann mit Humor ist selten. Selbst wenn sich der Humor erst beim zweiten Anlauf zeigt.
    »Na, suchen Sie was«, raunt neben mir eine Kinderschwester und stiert mich an, als hätte sie just in diesem Augenblick eine potentielle Kindesentführung verhindert. »Nee, ich wollte nur noch mal nach meiner Tochter sehen«, weise ich sie mit Besitzerstolz auf Claudia hin. Schwester Christel, eine zarte Person, zurechtgemacht wie für eine Krankenhausserie, rosa Lipgloss und gestärktes Häubchen, wirkt sichtlich beruhigt und nur ein kleines bißchen enttäuscht. Hätte ja ihr spektakulärer Auftritt werden können. »Na, da wollen wir den Zwergerln mal ihren wohlverdienten Schlaf gönnen, die fordern schon bald ihr Recht, keine Sorge.«
    Fast, als wolle sie sagen: »Die sehen Sie schneller wieder, als Ihnen lieb ist.« Ich lasse sie in dem Glauben, ich wäre nur im Babyschlafraum, weil ich es vor Sehnsucht nicht aushalten kann. Eine Frau wie Schwester Christel erscheint mir wenig empfänglich für Frau Tratschners Knödelmarathon.
    Mittlerweile ist es 20.15 Uhr. Beste Tatort-Zeit. Wenn man einen Fernseher hätte. Mutig entscheide ich mich, nachzusehen, ob der Verdauungsthriller abgeschlossen ist. Ich öffne beherzt meine Zimmertür und sehe es auf den ersten Blick: Ein Mißerfolg. Frau Tratschner ruft ungefragt: »Wieder nix«, und Waschbecken-Inge brabbelt etwas von langsam weichenden Blockaden. Hergott, laß sie auf Detailberichte verzichten.
    Ich muß jetzt schlafen, und mit einem Seitenblick auf Frau Tratschner ringe ich mich zu einem taktischen »Tut mir echt leid« durch. Schließlich werde ich noch ein paar Tage mit den beiden verbringen. Schnell die Zähne geputzt und ab ins Bett. Mein »Gute Nacht, die Damen« erklingt zeitgleich mit der Tür. Im Zimmer steht die bezaubernde Schwester Christel mit ihrem Namensschild aus rosa Emaille. Oder ist es Salzteig? Wenn ich zu Leuten komme und schon an der Tür hängt so ein selbstgebranntes Namensschild. Hier hausen, leben und lieben Fritz, Melanie und … Jeder hat ja so sein Synonym für Spießigkeit. Meins ist eindeutig Salzteig. Schon der Gedanke daran ruft so was wie eine allergische Reaktion hervor. Aber eins muß man Schwester Christel lassen, das Schildchen paßt farblich perfekt zum Lipgloss. Manche Leute haben wirklich Liebe zum Detail. Ob sie es selbst gebrannt hat? Oder vom Weihnachtsmarkt? Könnte bei näherem Hinsehen auch Fimo sein. Diese zähe, steinharte Masse, mit der Millionen Mütter bei heimeligen Bastelrunden mit den lieben Kindern gequält werden. Wer weiß?
    Ist auch egal. Auf dem Arm hat sie etwas Rotgesichtiges. »Na, habe ich es Ihnen nicht gesagt«, triumphiert sie und lädt das kreischige Wesen bei Inge ab. Uff, Glück gehabt. »Ihr Sohn hat Hunger, Frau Müller-Wurz, und danach bitte zum Wiegen.«

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