Frisch getraut: Roman (German Edition)
aufbrechen.«
Sie war beim Sex noch nie laut gewesen. Nie. Aber sie wusste, dass sie nicht in der Position war zu widersprechen. Sie hätte wie ein Pornostar schreien können und wüsste es nicht mehr.
»Ich war ja schon mit so einigen aggressiven Frauen zusammen …« Er schüttelte fassungslos den Kopf. »Wer hätte gedacht, dass die kleine Claresta als Erwachsene so hemmungslos im Bett werden würde?«
Sie war nie hemmungslos im Bett gewesen. Klar, sie schrieb über heißen Sex, hatte jedoch noch nie genug die Kontrolle verloren, um selbst welchen zu haben. Sie hatte es zwar ein paar Mal versucht, aber sie war zu verklemmt, um zu schreien und zu stöhnen und …
Sie verlor den Kampf, und ihr Blick glitt an den glatten Ebenen seines Rückens und der leichten Krümmung seines Rückgrats hinab, während er sich seine Levi’s über den nackten Hintern zog. »Ich muss hier raus«, murmelte sie und bückte sich, um ihre Handtasche vom Boden aufzuheben.
»Soll ich dich nach Hause fahren?«, fragte er, den Kopf nach unten gebeugt.
Nach Hause. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, und ihr Kopf hämmerte, als sie sich wieder aufrichtete. Was sie zu Hause erwartete, war ein noch größerer Albtraum als der, der ihr hier im Zimmer gegenüberstand. Der mit den steinharten
Bauchmuskeln und dem echt knackigen Hintern. »Nein. Danke. Du hast mir schon genug geholfen.«
Er drehte sich wieder um, und seine Hände hielten über dem zugeknöpften Hosenschlitz inne. »Ganz sicher? Wir müssen erst um zwölf auschecken.« Ein Mundwinkel verzog sich nach oben, und sein freches Lächeln war wieder da. »Lust, ein paar Erinnerungen zu schaffen, die du garantiert nicht vergisst?«
Clare öffnete die Tür hinter ihr. »Keine Chance«, murmelte sie und verließ den Raum. Sie war etwa drei Meter weit gekommen, als er ihr nachrief.
»Hey, Aschenputtel.«
Sie sah über die Schulter, als er ihre pinkfarbene Sandale aufhob und sie ihr zuwarf. »Vergiss deinen Ballschuh nicht.«
Sie fing den Schuh mit einer Hand auf und eilte ohne einen Blick zurück durch den Flur, dann rannte sie die Treppe hinab und stürzte durch das Foyer, weil sie Angst hatte, Hochzeitsgästen von außerhalb in die Arme zu laufen, die im Hotel übernachtet hatten. Wie um Himmels willen sollte sie ihre Anwesenheit Lucys Großtante und Großonkel aus Wichita erklären?
Die Hoteltüren öffneten sich zischend, und Clare lief im blendenden Licht der grellen Morgensonne barfuß über den Parkplatz und dankte Gott, dass ihr Lexus LS genau an der Stelle stand, wo sie ihn ihrer Erinnerung nach am Vortag abgestellt hatte. Sie raffte ihr Kleid hoch, warf sich in den Wagen und startete den Motor. Als sie den Rückwärtsgang einlegte, fiel ihr Blick im Rückspiegel kurz auf ihr Gesicht. Beim Anblick von schwarzer Mascara unter blutunterlaufenen Augen, zerzausten Haaren und blasser Haut musste sie entsetzt nach Luft schnappen. Sie sah aus wie der Sensenmann. Sebastian
dagegen hatte ausgesehen, als wäre er einer Levi’s-Reklametafel entstiegen.
Als Clare rückwärts aus der Parklücke setzte, griff sie in die Konsole und tastete nach ihrer Sonnenbrille. Falls sie Sebastian in diesem Leben je wieder zu Gesicht bekäme, dachte sie, wäre es in jedem Fall zu früh. Vermutlich war sein Angebot, sie nach Hause zu fahren, nett gemeint gewesen, doch dann hatte er es auf typische Sebastian-Art wieder verdorben. Sie legte den ersten Gang ein und schützte ihre Augen mit ihrer goldenen Versace-Sonnenbrille.
Wahrscheinlich besuchte er seinen Vater, genau wie früher als Junge, wenn seine Mutter ihn den Sommer über von Seattle nach Idaho schickte. Da Clare nicht vorhatte, ihre eigene Mutter in nächster Zeit zu besuchen, wusste sie, dass kein Risiko bestand, Sebastian wiederzusehen.
Sie fuhr vom Parkplatz und über den Chinden Boulevard in Richtung Americana.
Sebastians Vater, Leonard Vaughan, hatte fast dreißig Jahre lang für ihre Familie gearbeitet. Solange Clare denken konnte, hatte Leo in dem umgebauten Kutschenhaus auf dem Besitz ihrer Mutter an der Warm Springs Avenue gewohnt. Das Haupthaus war 1890 erbaut worden und inzwischen als denkmalgeschützt bei der Idaho Historical Society registriert. Das Kutschenhaus stand auf dem hinteren Teil des Besitzes, halb verborgen von alten Weidenbäumen und blühendem Hartriegel.
Clare konnte sich nicht erinnern, ob Sebastians Mutter je gemeinsam mit Leo im Kutschenhaus gelebt hatte, aber sie glaubte nicht. Es schien, als hätte
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