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Fröhliche Zeiten

Fröhliche Zeiten

Titel: Fröhliche Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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die feinste Sorten.
    Mein Spezialität — nur Qualität

    Aber auch Fremdsprachen waren zu hören in diesem Schtetl in der Stadt. Russisch, rumänisch, bulgarisch, jugoslawisch, polnisch, tschechisch, ungarisch, griechisch, kroatisch, serbisch, albanisch, montenegrinisch klangen durcheinander wie Karussellmusik auf dem Oktoberfest, das erst 1949 auf die Theresienwiese zurückkehrte. Dunkel bleiben die Wege, auf denen Zeitungen in vielen dieser Sprachen in die Möhlstraße gelangten. Es gab sie, mit relativ aktuellem Inhalt, und sie wurden gekauft.
    Mein Freund Schusch, laut Personalausweis Georg Alexander Roemmich und unter diesem Namen ein renommierter Architekt, durchwanderte auf Nahrungssuche die Möhlstraße. Vor dem Zeitungsstand traf er einen Bekannten. Die Begrüßung, akzentfrei und grammatikalisch korrekt, entging dem Händler nicht, der mit einigen Männern auf dem Gehsteig gerade die Weltlage besprach.
    Hier haben sich zwei Deutsche getroffen — registrierten sie.
    Über die Schulter seines Gegenübers hinweg entdeckte mein Freund die kyrillischen Schriftzeichen einer russischen Zeitung. Der Bekannte verabschiedete sich, Schusch trat näher, griff zu und überflog das Nachrichtenangebot, noch unschlüssig, ob es sich lohne, die Zeitung zu kaufen.
    Der Händler und seine Gesprächspartner beobachteten das Geschehen mit wachsendem Argwohn. Sie kombinierten Möglichkeiten, denn selbstverständlich erschien ihnen das nicht.
    Freund Schusch hatte sich festgelesen. Ihm entging, daß der Händler neben ihn getreten war, ihm über die Schulter sah, zu seinen Gesprächspartnern zurückging und sie mit fatalistischem Schulterzucken unterrichtete:
    »Er liest !«
    Langer Blick, dann von einem sehr gedehnt die unvermeidliche Gegenfrage.
    »Er liest ?«
    Der Händler bestätigte. Mit Kopfnicken und verbalknapp, im Sinne von ja und ?
    »Er liest .«
    Das mußte genauer untersucht werden. Ein anderer pirschte sich heran. Auch er sah dem verdächtigen Zeitungsleser über die Schulter, nickte dem andern zu, bevor er auf Tuchfühlung an den Lesenden herantrat und ihm mit lauerndem Seitenblick ungemein gedehnt die Frage stellte:
    »Sie lesen ?«
    Nicht unhöflich, wohl aber kurz, weil er sich gestört fühlte, erwiderte mein Freund, ohne aus der Zeitung aufzuschauen: »Ich lese .«
    Mit eingezogenem Kopf, als wirke das dämpfend auf seine Schritte, kehrte der Störer zu den anderen zurück und bestätigte seinerseits mit Gewißheit im Unterton:
    »Er liest !«
    Sie schwiegen betroffen. Nur ihre Blicke wanderten wieder hinüber. In großen, traurigen, dunklen Augen brannte die Frage: Wieso?
    Bewegung kam auf. Gemeinsam, ohne daß einer sichtbar vorausging, rückten sie dem Lesenden auf die noch nicht bezahlte Zeitung. Gemeinsam eröffneten sie das Gespräch, ihre Neugier mit Durcheinander mildernd: Der Herr sei doch Deutscher und lese a russische Zeitung. No gut. Mancher hätt’ als Soldat russisch gelernt. Aber lesen? Kyrillisch? Und Heimweh möcht’ das kaum sein. Der Herr müssen schon entschuldigen, wenn einen das beschäftigt, in diese schwere Zeiten...
    Nicht nur mit der kyrillischen Schrift, auch mit der Mentalität vertraut, gab Schusch Auskunft. Russisch sei ihm seit der Kindheit geläufig. Er habe viele Sommer in Bessarabien verbracht. Auf dem Gut seines Vaters bei Kischinew...
    Wieder die langen Blicke, die gedehnten Fragen.
    A Gut? — In Bessarabien? — Bei Kischinew?
    Für Kombinationen drei griffige Worte. Sie wiegten die Köpfe, hoben und senkten die Brauen, die Schultern — in ihrer Körpersprache untrügliche Zeichen für angestrengtes Nachdenken. Wieviele Deutsche hatten in der Gegend schon ein Gut, außer Vater Roemmich? Einer hielt plötzlich inne. Vorgeneigt maß er den deutschen Goj mit Augenaufschlag und sagte: »Dann sind sie der klaane Remmach !«
    Mein Freund zeigte keinerlei Überraschung. Zu genau kannte er dieses blitzschnelle Errechnen von Personen und Umständen, das diesem Stamm eigen ist, und gab zu, daß er’s sei: Sohn des großen Roemmich — der klaane Remmach.
    Die Geschichte seiner Enttarnung konnte folgen — eine Folge der jüngsten Geschichte, wie sich herausstellte.
    Anfang der Vierzigerjahre wurden die bessarabischen Juden aus ihren Geschäften und Berufen gedrängt. Nicht preußisch-gründlich, eher rumänisch-lax. Das bedeutete langsamer.
    Die Härte blieb. Als die jüdischen Gutsangestellten abgeholt und in der Nähe interniert wurden, versorgte Vater Roemmich sie

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