Fromme Wünsche
glauben Sie etwa, daß ich mich als ihre Nichte ausgebe, um mich ins
Kloster einzuschleichen?“
Jablonski lächelte spöttisch. „Jetzt, wo die Papiere
weg sind, lohnt sich das gar nicht mehr. Es sei denn, Sie hätten insgeheim ein
Faible für Mönche.“
Ich mußte lachen, doch Pelly blieb ernst. „Ich nehme
doch an, Sie haben dem Prior Ihre Papiere gezeigt.“
„Dafür gab's keinen Grund. Er wollte mir ja keinen
Auftrag erteilen. Natürlich habe ich meinen Detektivausweis bei mir, aber damit
ist noch nicht bewiesen, daß ich Rosa Vignellis Nichte bin. Rufen Sie doch bei
ihr an.“
Pelly hob beschwichtigend die Hand. „Mir geht's ja
nur um das Kloster. Wir sind von der augenblicklichen Publicity alles andere
als begeistert. Außerdem schadet sie unseren Studenten.“ Mit einer
Handbewegung wies er auf die eifrig lauschenden jungen Männer an unserem
Tisch. „Selbst wenn Sie die Nichte des Papstes wären, hätte ich etwas dagegen,
daß Sie hier noch mehr Aufruhr verursachen.“
„Das sehe ich ein. Aber ich verstehe auch Rosas
Standpunkt. Sie machen sich's sehr einfach mit ihr. Soll sie doch sehen, wo sie
bleibt. Sie hat keine mächtige Organisation mit politischem Einfluß hinter sich
wie Sie.“
Pelly sah mich eisig an. „Ich möchte dazu nicht
Stellung nehmen, Miss Warshawski. Aber Sie spielen vermutlich auf die
weitverbreitete Legende von der politischen Macht der katholischen Kirche an -
auf den direkten Draht vom Vatikan zur Regierung der Vereinigten Staaten. Dafür
ist mir jedes Wort zu schade.“
„Ich bin da anderer Ansicht. Wir könnten sogar sehr
angeregt diskutieren. Zum Beispiel darüber, wie die Gemeindepfarrer bei
Wahlen auf Stimmenfang gehen.“
Jablonski wandte sich mir zu. „Ich finde, es gehört
zu den moralischen Verpflichtungen der Geistlichen, den Gliedern ihrer
Gemeinde die geeigneten Kandidaten zu empfehlen.“
Ich spürte, wie mir das Blut zu Kopfe stieg, doch
ich lächelte verbindlich. „Nun, es gibt in den Steuergesetzen ganz eindeutige
Bestimmungen hinsichtlich politischer Betätigung und Steuerfreiheit. Wenn
Bischöfe und Priester für bestimmte Kandidaten Partei ergreifen, so begeben
sie sich damit auf eine steuerliche Gratwanderung. Bis jetzt wollte sich nur
noch kein Gericht mit der katholischen Kirche anlegen.“
Pelly wurde unter seiner Bräune rot vor Wut. „Ich
habe den Eindruck, Sie wissen überhaupt nicht, wovon Sie reden. Vielleicht
beschränken Sie Ihre Äußerungen lieber auf die Punkte, die Sie für den Prior
klären sollen.“
„In Ordnung. Fangen wir gleich einmal mit dem
Kloster an. Gibt es hier jemanden, der sich aus irgendeinem Grund fast fünf
Millionen Dollar unter den Nagel reißen würde?“
„Nein“, erwiderte Pelly kurz. „Alle haben das
Gelübde der Armut abgelegt.“
Geistesabwesend ließ ich mir von einem Bruder noch
eine Tasse des kaum genießbaren dünnen Kaffees einschenken.
„Die Papiere sind vor zehn Jahren in Ihren Besitz
gelangt. Jeder hätte sie an sich nehmen können, der hier ein und aus ging.
Wechseln die Mönche hier häufig?“
„Eigentlich heißen sie Klosterbrüder“, fuhr
Jablonski dazwischen. „Mönche sind seßhaft, Brüder ziehen von Kloster zu
Kloster. Was meinen Sie mit >wechselnd<. Jedes Jahr verlassen
verschiedene Studenten das Kloster - aus unterschiedlichen Gründen. Auch unter
den Ordensleuten gibt es Zu- und Abgänge. Manche Lehrer kommen aus anderen
Dominikanerklöstern zu uns oder wandern dorthin ab. Pater Pelly ist zum Beispiel
gerade von einem sechsmonatigen Aufenthalt in Ciudad Isabella zurückgekehrt. Er
hat in Panama studiert, und es zieht ihn immer wieder hin.“
Daher also die Bräune. „Wir können vermutlich alle
ausschließen, die in andere Klöster übergewechselt sind. Aber was ist mit den
jungen Männern, die während der letzten zehn Jahre aus dem Orden ausgetreten
sind? Könnten Sie herausfinden, ob einer von ihnen jemals eine Erbschaft
erwähnt hat?“
Pelly zuckte verächtlich die Achseln. „Ich denke
schon - obwohl mir das gegen den Strich ginge. Wenn junge Leute dem Orden den
Rücken kehren, dann tun sie es im allgemeinen nicht, weil sie das Luxusleben
vermissen. Wir suchen unsere Novizen sehr sorgfältig aus. Ein potentieller Dieb
würde uns wahrscheinlich auffallen.“
In diesem Augenblick trat Pater Carroll an den
Tisch. Das Refektorium leerte sich langsam. Die Männer standen auf dem Gang in
Grüppchen zusammen. Ein paar starrten mich an. Zu denen, die noch an
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