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Fromme Wünsche

Fromme Wünsche

Titel: Fromme Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretzky
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wieder in seine Lektüre.
    Zu meiner Erleichterung befand ich mich wenigstens
im richtigen Gebäude, denn inzwischen hatte ich schon eine Viertelstunde
Verspätung. Ich begegnete einem Grüppchen von Männern im weißen Habit, die
leise, aber heftig miteinander diskutierten. Am Ende des Korridors wandte ich
mich nach rechts. Auf der einen Seite lag die Kapelle und auf der anderen das
Büro des Priors, wie der magere junge Mann beschrieben hatte.
    Reverend Boniface Carroll telefonierte gerade. Er
lächelte mir zu und deutete auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch, setzte
jedoch sein Gespräch fort. Carroll war ein zerbrechlich wirkender Mann um die
Fünfzig. Seine weiße Kutte war mit den Jahren gelblich geworden. Er sah sehr
müde aus; immer wieder rieb er sich die Augen, während er dem Anrufer zuhörte.
Das Büro war sehr spartanisch eingerichtet. Einziger Wandschmuck war ein
Kruzifix. Auf dem Boden lag ein abgetretener Teppich.
    „Sie ist zufällig hier, Mr. Hatfield... Nein, nein.
Ich glaube, ich sollte mit ihr reden.“
    Ich zog die Brauen hoch. Der einzige Hatfield, den
ich kannte, arbeitete beim Betrugsdezernat des FBI - ein tüchtiger junger Mann,
dem aber leider jeder Sinn für Humor fehlte. Wenn sich unsere Wege kreuzten,
brachten wir uns in der Regel gegenseitig zur Weißglut, weil er mein
respektloses Gerede stets mit Hinweisen auf die Allmacht des FBI konterte.
    Carroll beendete das
Gespräch und wandte sich mir zu. „Miss Warshawski, nicht wahr?“ Seine Stimme
war angenehm klar, mit einem leichten Oststaatenakzent.
    „Ja.“ Ich reichte ihm meine Karte. „War das eben
Derek Hatfield?“
    „Vom FBI - ja. Er ist in Begleitung von Ted Dartmouth
von der Finanzaufsichtsbehörde hiergewesen. Ich weiß zwar nicht, wie er von
unserem Termin erfahren hat, doch er bat mich, nicht mit Ihnen zu reden.“
    „Sagte er auch, warum?“
    „Seiner Meinung nach sind in diesem Fall das FBI und
die Finanzaufsichtsbehörde zuständig. Er meinte, daß Sie als Amateurin die
Untersuchung unter Umständen erschweren könnten.“
    Gedankenverloren strich ich mir über die Oberlippe.
An den Lippenstift dachte ich erst, als ich seine Spuren auf meinem Zeigefinger
entdeckte. Ruhe bewahren, Vic. Die logische Konsequenz wäre, sich mit einem
höflichen Lächeln von Pater Carroll zu verabschieden; schließlich hatte ich
ihn, Rosa und meinen Auftrag auf dem ganzen Weg hierher verflucht. Wenn ich
allerdings ein bißchen Opposition spüre - besonders, wenn sie von Leuten wie
Derek Hatfield kommt -, dann kann ich meine Meinung sehr rasch ändern.
    „So etwas Ähnliches habe ich gestern zu meiner Tante
gesagt. Das FBI und die Finanzaufsicht haben Routine in der Aufklärung
derartiger Fälle. Aber die alte Dame ist eben aufgescheucht und hätte gern
jemanden aus der Familie an ihrer Seite. Ich arbeite seit zehn Jahren als
Privatdetektivin, häufig auf dem Gebiet der Wirtschaftskriminalität. Ich habe
einen guten Ruf. Sie können gern bei einigen Leuten in der Stadt Referenzen
einholen, falls Ihnen mein Wort nicht genügt.“
    Carroll lächelte. „Regen
Sie sich nicht auf, Miss Warshawski. Sie müssen sich nicht anpreisen. Ich habe
Ihrer Tante versprochen, mit Ihnen zu reden, und ich glaube, das ist das
mindeste, was wir ihr schuldig sind. Sie hat dem Sankt-Albert-Kloster lange
Jahre treu gedient, und es traf sie sehr hart, als wir sie baten, Urlaub zu
nehmen. Obwohl es mir in der Seele zuwider war, habe ich jeden darum gebeten,
der Zugang zum Safe hatte. Sie weiß, daß sie uns wieder herzlich willkommen
ist, sobald die Angelegenheit geklärt ist. Sie ist sehr tüchtig.“
    Ich nickte. Ganz sicher war Rosa eine tüchtige
Finanzverwalterin. Mir schoß der Gedanke durch den Kopf, daß sie
wahrscheinlich nicht so mürrisch wäre, wenn sie ihre Energie in eine berufliche
Karriere hätte investieren können - zum Beispiel als Vermögensverwalterin
einer Firma.
    „Im Grunde weiß ich gar nicht, was eigentlich
passiert ist“, sagte ich zu Carroll. „Erzählen Sie mir doch mal das Ganze: wo der
Safe steht, wie Sie auf die Fälschungen gestoßen sind, um welche Beträge es
sich handelt, wer an die Papiere herankonnte oder davon wußte. Ich frage dann
schon, wenn mir etwas unklar ist.“
    Wieder bedachte er mich mit seinem zurückhaltenden,
liebenswürdigen Lächeln, dann stand er auf, um mir den Safe zu zeigen, der
sich in einem Lagerraum hinter dem Büro befand - einen uralten Geldschrank aus
Gußeisen mit Kombinationsschloß. Er stand

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