Frühe Erzählungen 1893-1912
dem Fußboden ausgebreitet. Auch das von ›Tristan‹, das faksimiliert worden ist, zeigt diese Manier.« (
Lebensabriß
; GW XI, 115) Das kann man tatsächlich noch am Faksimile der
Tristan
-Handschrift beobachten, wobei genauer gesagt nicht die »Korrekturen« als Vorgänge bis zur Unkenntlichkeit schraffiert wurden, sondern die unerwünschten Formulierungen selbst, etwa am Schluss des dritten Kapitels, wo anderthalb Zeilen Text getilgt wurden. Dass sie ohne diese vorbeugende Maßnahme Thomas Manns bei der vorliegenden Edition ›mitgesprochen‹ hätten, muss nicht erst gesagt werden; aber die durch sie nicht betroffenen Änderungen an der
Tristan
-Handschrift sind schon faszinierend genug.
Der Frage, ob er »Brouillons« mache, wich Thomas Mann aus, indem er stattdessen die der Komposition vorausgehende Phase beschrieb. Es handle sich dabei um »kurze Entwürfe und Studien, psychologische Pointen und Motive, Aufzeichnungen gegenständlicher Art, Auszüge aus Büchern und Briefen […], {604} die durch quer über das ganze Blatt laufende Striche voneinander getrennt sind«. (GW XI, 779) Diese machten schließlich ein »systematisch geordnetes Konvolut« aus. Als Brouillon – d.h. eine erste Erarbeitung von Text, die noch nicht einmal den Status einer provisorischen Reinschrift erlangt hat – können von den erhaltenen handschriftlichen Beständen allenfalls die zwei Einzelblätter zu
Tonio Kröger
und zum
Tod in Venedig
betrachtet werden, bei denen die Komposition in viel stärkerem Ausmaß noch im Fluss ist, laufend formuliert und geändert wird, und Sätze über- und ineinander geschrieben werden. Diese Belege für den eigentlichen Entstehungsprozess, den Thomas Mann vielleicht nicht näher beleuchten konnte oder wollte, werden als aufschlussreiche Seltenheiten im Kommentarband faksimiliert und in entzifferter Form abgedruckt. So sieht man ausnahmsweise einmal die schaffende Hand am Werk.
Zur Reihenfolge der Texte
Die hier vorgelegte Reihenfolge ist eine zum Teil andere als die der GW. Die Erzählungen wurden möglichst nach ihren Entstehungsdaten neu geordnet. Bei parallel laufenden Entstehungen, wie etwa im Fall von
Tonio Kröger
und
Tristan
, hat die zeitlich am weitesten zurückreichende Konzeption den Vorrang.
Daten zu Leben und Werk
6 . Juni 1875
Paul Thomas Mann wird als zweites Kind von Thomas Johann Heinrich Mann und seiner Frau Julia, geb. da Silva-Bruhns, in Lübeck geboren. Geschwister: Luiz Heinrich ( 1871 ), Julia ( 1877 ), Carla ( 1881 ), Viktor ( 1890 )
1889
Eintritt in das ›Katharineum‹
1893
Herausgabe der Schülerzeitschrift
Der Frühlingssturm
Abgang vom Gymnasium aus der Obersekunda (heutige 11 . Klasse); Umzug nach München
1894
Volontariat bei der Süddeutschen Feuerversicherungsbank
Gefallen
, erste Novelle
1894 – 1895
Gasthörer an der Technischen Hochschule München: Kunstgeschichte, Literaturgeschichte, Nationalökonomie
1895 – 1898
Aufenthalte in Italien mit Heinrich Mann: Rom, Palestrina
1897
Arbeitsbeginn an den
Buddenbrooks
1898
Erster Novellenband:
Der kleine Herr Friedemann
, bei S. Fischer
1898 – 1899
Redakteur beim
Simplicissimus
(München)
1901
Buddenbrooks.
In zwei Bänden, bei S. Fischer
1903
Tristan.
Novellenband; enthält die Erzählung
Tonio Kröger
3 . Oktober 1904
Verlobung mit Katia Pringsheim, geb. 24 . Juli 1883
11 . Februar 1905
Hochzeit in München
9 . November 1905
Geburt von Erika Julia Hedwig
1906
Fiorenza
(Drama in drei Akten)
Bilse und ich
18 . November 1906
Geburt von Klaus Heinrich Thomas
1907
Versuch über das Theater
1909
Königliche Hoheit
27 . März 1909
Geburt von Angelus Gottfried Thomas (Golo)
7 . Juni 1910
Geburt von Monika
1912
Der Tod in Venedig.
Erste Arbeiten an
Der Zauberberg
Januar 1914
Bezug des eigenen Hauses München, Poschingerstr. 1
1915
Friedrich und die große Koalition
1918
Betrachtungen eines Unpolitischen
24 . April 1918
Geburt von Elisabeth Veronika
1919
Herr und Hund
21 . April 1919
Geburt von Michael Thomas
1922
Goethe und Tolstoi
und
Von deutscher Republik
1924
Der Zauberberg
1926
Unordnung und frühes Leid.
Beginn der Niederschrift der
Josephs
-Romane.
Lübeck als geistige Lebensform
10 . Dezember 1929
Verleihung des Nobelpreises für Literatur
1930
Mario und der Zauberer
Deutsche Ansprache – Ein Appell an
Weitere Kostenlose Bücher