Fruehling
diesem Winde.
Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser Dinge,
über das Meer her was wir sind .
… . Wären wirs doch. So wären wir zuhaus.
(Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.)
Aber mit diesem Wind geht immer wieder
das Schicksal riesig über uns hinaus.
Werke II , 16
U nd so ist unser erstes Schweigen:
wir schenken uns dem Wind zu eigen,
und zitternd werden wir zu Zweigen
und horchen in den Mai hinein.
Da ist ein Schatten auf den Wegen,
wir lauschen, – und es rauscht ein Regen:
ihm wächst die ganze Welt entgegen,
um seiner Gnade nah zu sein
Werke I , 193
K ann mir einer sagen, wohin
ich mit meinem Leben reiche?
Ob ich nicht auch noch im Sturme streiche
und als Welle wohne im Teiche,
und ob ich nicht selbst noch die blasse, bleiche
frühlingsfrierende Birke bin?
Werke III , 258
E s ist fast beunruhigend, diese fortwährende Frühlingsnähe –, Gänseblümchen und Taubnesseln unterbrechen keinen Augenblick ihr kleines Blühen –, und neulich in Zürich, im Baur au Lac , sah ich aus den mit Tannenzweigen zugedeckten Beeten die großen Stiefmütterchen ganz ausgeruht und aufgewacht hervordrängen, wie Kinder, die ausgeschlafen haben und durchaus nicht mehr im Bett bleiben wollen.
Taxis II (17. 2. 1921), 638
D as Wetter überholt uns: Märzstürme. Wie sie die Regenhimmel herüberjagen, ihnen kaum Zeit lassen zu regnen; und plötzlich wird alles aufgedeckt und eine fast leere, unvorbereitete Klarheit glänzt sich aus den nassen Straßen entgegen. Und so wars schon die ganze Nacht. Weißt Du Schwester, dass ich mich dann fürchte in der Stadt bei solchen Nachtstürmen? siehts nicht aus, als sähen sie sie nicht in ihrem Element-Stolz? Aber ein einsames Landhaus, das sehen sie und nehmen es ein in ihre Wucht und härten's ab, – da möchte man sogar hinaus in den brausenden Garten, wenigstens steht man am Fenster und giebt den aufgeregten alten Bäumen Recht, die sich gebärden, als wär der Geist der Propheten in sie gefahren. Herrlich, nicht –,
dass wir doch mit alledem so verschwistert sind und im Tiefsten einig damit. Dass der Druck unseres Blutes sich fortwährend wandeln muss nach dem Gegendruck der ganzen Welt, sieh, und der Körper hälts aus, und das Herz drinnen ist allein gegen alles übrige.
Hattingberg (24./25. 2. 1914), 168 f.
VORGEFÜHL
I ch bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.
Ich ahne die Winde, die kommen, und muß sie leben,
während die Dinge unten sich noch nicht rühren:
die Türen schließen noch sanft, und in den Kaminen ist Stille;
die Fenster zittern noch nicht, und der Staub ist noch schwer.
Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer.
Und breite mich aus und falle in mich hinein
und werfe mich ab und bin ganz allein in dem großen Sturm.
Werke I , 402 f.
I ch liebe diesen Wind, diesen weiten verwandelnden Wind, der dem Frühling vorangeht, ich liebe das Geräusch des Windes und seine ferne Gebärde, die mitten durch alle Dinge geht als wären sie nicht.
Diese Nacht liebe ich. Nein, nicht diese Nacht, diesen Nachtanfang, diese eine lange Anfangszeile der Nacht, die ich nicht lesen werde, weil sie kein Buch für Anfänger ist.
Werke V (Fragment von den Einsamen), 637
D er Sturm war hier nicht, ich werfs ihm vor, denn er war von Ihnen herübergekommen, ach hätt er doch auch an meinen Thüren gerüttelt, Sturm gabs keinen, aber der Regen hat aufgehört, ich weiß nicht mehr recht, womit, – gestern schon, da Sie schrieben: Frühling, ja da war auch hier etwas Neues Unverkennbares in der Luft, und einen Baum sah ich, über eine alte verwitterte Stein-Mauer herüber, der voller Kätzchen hing –. Und heute wieder. Ich ging nach langer Zeit wieder einmal den Weg nach Rivapiana entlang, an S. Quirico vorüber (dort, im Haus, das an die Pergola stößt, wohnen jetzt Contadini, es ist nie mehr still und einsam oben), ich wanderte immer weiter bis zu einer Bank am See, las dort zwei Ihrer Briefe und schrieb über die letzten Tage in mein Taschenbuch, – und ob die Sonne gleich kühler war, als jene in den gleichmäßig-schönen Tagen vom Dezember, sie hatte, jenseits der Regen-Grenze, etwas Neues, Neubegonnenes, Steigendes –, keine Vogelstimmen, aber es fiel einem doch immer wieder ein: Frühling – – –. Mächte. Soll man's wirklich noch einmal aushalten? Manchmal frag ich mich, oh mein Herz dieser Ausdehnung noch fähig ist, die alten Leute sterben ja oft daran an diesem unwillkürlichen Mitgerissensein ins
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