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Fruehling

Fruehling

Titel: Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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Häusern drüben. Das macht: jeder von ihnen ist über sich selbst hinausgewachsen in den schimmernden Tag, den er kaum auf den Schultern spürt. Und der leuchtende Himmel wirft seinen goldenen Glanz so reich und rasch über die Menschen und Dinge, daß sie vergessen, ihre alltäglichen Schatten zu haben, und selber Licht sind in dem flimmernden Land. –
    Werke IV (Die Geschwister), 215 f.
    W ie ist doch, dacht ich gestern, das leiseste Beziehen zwischen den Menschen, bestimmt durch die Verfassung in der sie's tun, – wie kommt gleich das Große herein, wenn
das Große nur da ist, ja es kann keiner, in dem es sich wach hält, zu einem Kutscher etwas sagen, ohne dass sofort zwischen dem Kutscher und ihm eine unvermuthete Milde ist, eine Freudigkeit für einander, ein Sakrament. Ich hatte einige Wege, überall wars gut, überall begegneten einem die Augen mit einem staunenden Empfang, Bereitschaft war in den Menschen wie in der umgewendeten Frühlings-Erde.
    Hattingberg (24./25. 2. 1914), 170
    DAS XXI. SONETT AN ORPHEUS
    F rühling ist wiedergekommen. Die Erde
ist wie ein Kind, das Gedichte weiß;
viele, o viele … . Für die Beschwerde
langen Lernens bekommt sie den Preis.
    Streng war ihr Lehrer. Wir mochten das Weiße
an dem Barte des alten Manns.
Nun, wie das Grüne, das Blaue heiße,
dürfen wir fragen: sie kanns, sie kanns!
    Erde, die frei hat, du glückliche, spiele
nun mit den Kindern. Wir wollen dich fangen,
fröhliche Erde. Dein Frohsten gelingts.
    O, was der Lehrer sie lehrte, das Viele,
und was gedruckt steht in Wurzeln und langen
schwierigen Stämmen: sie singts, sie singts!
    Werke I , 744
    FRÜHLING
    für Katharina Kippenberg
    N icht so sehr der neue Schimmer tats,
daß wir meinen, Frühling mitzuwissen,
als ein Spiel von sanften Schattenrissen
auf der Klärung eines Gartenpfads.
    Schatten eignet uns den Garten an.
Blätterschatten lindert unsern Schrecken,
wenn wir in der Wandlung, die begann,
uns schon vorverwandelter entdecken.
    Werke II , 162 f.
    LIED
    D er Garten vor den Fenstern
ist nur ein Bild in Grün
für einen unbegrenztern,
darin wir beide blühn.
    Was seine Sinne segnet,
auf denen Winter war:
das sonnt und sinnt und regnet
auch über unserm Jahr.
    Der Garten hat Gebräuche,
ähnlich wie ich und du:
zwei steigende Gesträuche
blühen einander zu.
    Werke III , 685
    E s klingt ein Glück, es blüht von weit
Und rankt um meine Einsamkeit
Und will sich wie ein Goldgeschmeid
Um meine Träume weben.
Und ist mein armes Leben
auch frühfrostbang und leidumschneit
Es muß ihm eine heilige Zeit
den Weihefrühling geben …
    Andreas-Salomé (8. 7. 1897), 16
    MAITAG
    S till! – Ich hör, wie an Geländen
leicht der Wind vorüberhüpft,
wie die Sonne Strahlenenden
an Syringendolden knüpft.
    Stille rings. Nur ein geblähter
Frosch hält eine Mückenjagd,
und ein Käfer schwimmt im Äther,
ein lebendiger Smaragd.
    Im Geäst spinnt Silberrhomben
Mutter Spinne Zoll um Zoll,
und von Blütenhekatomben
hat die Welt die Hände voll.
    Werke I , 29 f.
    F eierlich ists an meinem Fenster den Abend zu erleben: einzelne Maikäfer surren gegen die Rosenspaliere und knallen wieder zurück ins Ungenaue, taumelnd (ich weiß nicht, was sie so blindlings wider die Mauer anrennen läßt, was sie sich dort erwarten?) dann wirds immer stiller. Am ersten Abend kam eine Amsel: saß erst unten auf dem Dach des Weinlaubengangs, sang tief und versonnen. Plötzlich kam sie zu einer Stelle des Lieds, die von höherem Platze aus gesprochen werden mußte und in erst flachem dann rasch, steil ansteigendem Bogen warf sie sich rechts hinauf bis auf die äußerste Spitze der Tanne und rief von dort, der Reihe nach, was noch zu rufen war: jedesmal klangs, als packte sie bei ihrem langen Ende eine Liedschleife und zöge sie auf, löste sie – –.
    Wunderly I (16. 5. 1921), 421 f.
    W undervoll empfind ich in der hiesigen Stille das Zunehmen der Vogelstimmen. Abends, manchmal, gestaltet sich schon eine einzelne heraus, wird ganz Figur in der Luft, – am frühen Morgen kochen sie alle durch einander, wie auf ein ganz leichtes Feuer gestellt und weggerückt: man hat sie, erwachend, wie in einem Vorraum des Gehörs, noch gar nicht im Gehör selbst.
    Wunderly II (20. 3. 1922), 715 f.
    … bei uns im Garten ist keine Nachtigall, kaum viele Vogelstimmen; infolge der Jäger wohl, die jeden Sonntag hier vorüberkommen; aber manchmal in der Nacht wache ich davon auf, daß es ruft, irgendwo unten im Tal ruft, anruft aus ganzer Seele. Jene süße,

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