Fruehling
Blätter nachbewegen, des Lorbeers glänzende Blätter und die unscheinbaren Blätterbündel in den Steineichen-Büschen, so getrost sind die kleinen röth
lichen Knospen an den kaum leergewordenen Bäumen und so groß ist der Duft, der aufsteht aus dem lichtgraugrünen Narzissenfeld in meinem stillen Gartenthal, das ein alter Brückenbogen nachdenklich überspannt. Ich habe von meinem flachen Dach die schweren Reste des Regens gefegt und welke Eichenblätter zur Seite geräumt und das hat mich warm gemacht und nun, nach der kleinen wirklichen Arbeit, klingt mir das Blut wie in einem Baum. Und mir ist, zum allerersten Mal nach langer Zeit, ein ganz klein wenig frei und festlich zu-muth und so, als ob Du bei mir eintreten könntest …
Auch dieses glückliche Gefühl wird wieder vorübergehen und wer weiß, ob nicht hinter den fernen Bergen, eine Regennacht sich vorbereitet, die mein Dach wieder überschwemmt und ein zerrender Wind, der meine Wege wieder mit Welkem füllt –
Andreas-Salomé (15. 1. 1904), 127 f.
V erehrte Freundin,
wir sind in einem Nebelreich, wie ein Zauber auf der Bühne qualmte es herüber neulich in den hellsten Sonnenmittag, und seither ist alle Weite weg, die Schiffe tuten irgendwo im Unsichtbaren und haben Angst voreinander, nur die nahen Schifferkähne fangen in ihren Segeln das diffuse Licht und erhalten sich als Erscheinung eine Weile im vaguen grauen Weltraum. Von Zeit zu Zeit versucht sich das in einem leisen filigranen Regnen, und darüber und über der Stille der Tage kommt der Garten sachte ins Grünen, die gelben doppelten Narzissen an den übereilt vorgebeugten Stengeln drängen sich neugierig auf, und in allen den nicht wintergrünen Sträuchern kommt die feine helle Arbeit ans Licht, die im angestiegenen Saft geplant und
vorbereitet war. Man hat das Unkraut weggerissen, die berechtigten Rosenpflanzen sind allein in dem warmbraunen nachdenklichen Erdreich, und es genügt, den Gärtner irgendwo gebückt zu sehen, um eine Spur Rührung zu empfinden, ganz als müßte das Einfache, Fleißige, was er dort thut, auch in Einem zur Geltung kommen und sich lohnen, als müßte auch dort etwas in sein Recht gerückt, ermuthigt, aufgebunden sein.
Taxis I (2. 3. 1912), 119 f.
S chon, horch, hörst du der ersten Harken
Arbeit; wieder den menschlichen Takt
in der verhaltenen Stille der starken
Vorfrühlingserde. Unabgeschmackt
scheint dir das Kommende. Jenes so oft
dir schon Gekommene scheint dir zu kommen
wieder wie Neues. Immer erhofft,
nahmst du es niemals. Es hat dich genommen.
Selbst die Blätter durchwinterter Eichen
scheinen im Abend ein künftiges Braun.
Manchmal geben sich Lüfte ein Zeichen.
Schwarz sind die Sträucher. Doch Haufen von Dünger
lagern als satteres Schwarz in den Aun.
Jede Stunde, die hingeht, wird jünger.
Werke I , 767 f.
A n allen Dingen fühlt sich neu die Frühe.
Der schöne Wind geht eitel durch den Hain.
Oh sieh das Blühen: innen ist die Mühe;
kaum tritt es aus, ist es ein Seligsein.
Werke II , 380
AUS EINEM APRIL
W ieder duftet der Wald.
Es heben die schwebenden Lerchen
mit sich den Himmel empor, der unseren Schultern schwer war;
zwar sah man noch durch die Äste den Tag, wie er leer war, –
aber nach langen, regnenden Nachmittagen
kommen die goldübersonnten
neueren Stunden,
vor denen flüchtend an fernen Häuserfronten
alle die wunden
Fenster furchtsam mit Flügeln schlagen.
Dann wird es still. Sogar der Regen geht leiser
über der Steine ruhig dunkelnden Glanz.
Alle Geräusche ducken sich ganz
in die glänzenden Knospen der Reiser.
Werke I , 371
W asser berauschen das Land.
Ein atemlos trinkender Frühling
taumelt geblendet ins Grün
und stößt seiner Trunkenheit Atem
aus den Munden der Blust.
Tagsüber üben die Nachtigalln
ihres Fühlens Entzückung
und ihre Übermacht
über den nüchternen Stern.
Werke II , 163
FORTSCHRITT
U nd wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche
ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.
Werke I , 402
EIN FRÜHLINGSWIND
M it diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
von dem wir glühen werden –: alles das.
(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit
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