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Fruehling

Fruehling

Titel: Fruehling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Maria Rilke
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ich nicht, ich sehe dem Wetter überlegen zu, wie einem, der sich durchaus irren will und warte bei geheiztem Ofen, daß es zurückkommt.
    Heydt (12. 2. 1914), 194
    W issen kann mans ja nie, vor der Hand siehts noch so aus, als bliebe ich infiniment hinter dieser Thür sans bouger, selbst vom Frühling zu nichts zu verführen, weil ich finde, er kommt zu früh und wird es noch bereuen.
    Münchhausen (13. 12. 1914), 28
    L eni hatte mir thatsächlich einen kleinen Baum hingestellt und einige den Abend angekommene Pakete herum gruppiert, – es war ein guter stiller Abend, – die bei Weitem größte Überraschung war allerdings der schon gestern vorbereitete, aber heute ungefähr eingetretene Frühling; es war
so warm, der Buchs duftete im Park, die Vögel, unsichtbar in den durchsichtigen Bäumen, stießen kleine Vorfrühlingsfragen aus, auf die ich nur ein Kopfschütteln haben konnte, das aber nicht bis zu ihnen hinauf die Luft erschütterte, – kleine entzückte Motten taumelten, mit den Flügeln lächelnd, quer aus den Hecken hervor, – es war eine Turbulenz, die alles andere eher als weihnachtlich genannt werden konnte. Dabei fiel noch am Mittwoch ein zwar nasser und lockerer Schnee, der sich gleichwohl zu dem vorliegenden hinzuhäufte, ich war auf das völligste Einschneien gefaßt, und nun, im Gegentheil, ists eine offene Erde, schon mit der ganzen Leichtgläubigkeit ihrer Vorgefühle ausgestattet, als gäbe es keine Verzögerung mehr zu befürchten.
    Schweizer Freunde (Dory Von der Mühll, 25. 12. 1920), 171
    A ls ich herkam schneite es, nun ist der Flieder fast vorüber, der Roth- und Weißdorn bevölkert sich mit Blüthen, und im vollen Grünsein der Kastanien werden morgen oder übermorgen die blühenden Städte und Thürme stehen: was hat die Natur alles gethan. Und was thun die Menschen alles, – ich weiß nicht, was sie thun, aber sie sehn größtenteils beschäftigt aus oder wenigstens verliebt, sie sind in Bewegung, ich bin sicher, sie leisten allerhand, sie spielen ihre Rollen, sie schreiben Briefe, und dabei bleibt noch Zeit übrig, zähe Zeit, auf die sie laut loshauen wie auf einen Clown , um sie nur loszuwerden. Mich überholt alles, mir kommt fortwährend Zeit zuvor, ich seh ihr in den Rücken wie ein Nachzügler, wie ein Marodeur; zum Teufel, wann wird das aufhören?
    Taxis I (10. 5. 1911), 34 f.
    FRÜHLING
    D ie Vögel jubeln – lichtgeweckt –,
die blauen Weiten füllt der Schall aus;
im Kaiserpark das alte Ballhaus
ist ganz mit Blüten überdeckt.
    Die Sonne schreibt sich hoffnungsvoll
ins junge Gras mit großen Lettern.
Nur dorten unter welken Blättern
seufzt traurig noch ein Steinapoll.
    Da naht ein Lüftchen, fegt im Tanz
hinweg das gelbe Blattgeranke
und legt um seine Stirn, die blanke,
den blauenden Syringenkranz.
    Werke I , 22
    W enn ich den Blick zum jungen Tag erhebe,
Frag' ich mich oft bei seinem ersten Glühn,
Ob das beglückte Dasein, das ich lebe,
Dasselbe ist, das einst mir traurig schien.
Ganz leise bringt in himmlischen Accorden
Mein junges Herz die süße Antwort dar:
Dasselbe, – aber Frühling ist es worden –
In Deiner Seele, wo es Winter war … … … … .
    David-Rhonfeld (undatiert), 47
    I m Februar dieses Jahres war noch viel Winter gewesen; allein im März gab es einen Feiertag – es war das Josephifest –, der alle Welt toll machte. Nicht nur daß der Schnee
nur da und dort noch an Hügeln und Bahndämmen, vergessen und verachtet, lag, – ein Grünen war über die befreiten Wiesen gekommen, und über Nacht wiegten sich in dem lauen, lichterjagenden Wind gelbe Kätzchen an den langen, kahlen Ruten.
    Da war Luisa ausgegangen, um in der Kirche von Loretto bei dem großen Mittagshochamt zu beten. Aber sie war dann – kaum konnte sie sagen wie, an dem lockenden Glockenspiel der Kapuziner vorübergewandert und hatte erst aufgesehen, als sie hinter dem Baumgarten in einer der weiten einsamen Alleen stand und die Arme ausbreitete. Sie empfand, wie sehr sie alles um sich liebte, wie sehr das alles zu ihr gehörte, und daß dieses leise, freudige Werden mit seinem heimlichen Glück und seiner süßen Sehnsucht ihr Schicksal sei, nicht aber das, was Menschen in dunklem Drange wollten und irrten.
    Auf dem Heimwege kamen ihr die lichten Schwärme fröhlicher Menschen entgegen, und da blieb sie lächelnd stehen und schaute über die helle, lebende Landschaft: Man konnte nicht glauben, daß alle diese lachenden Scharen wieder Raum finden würden in den engen

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