Frühlings Erwachen (German Edition)
Schlafrock überwerfen und abends in schwarzem Pagenkostüm durchs Zimmer gehn; an Hals, an Knien und Ärmeln weiße Spitzenaufschläge. Täglich fotografierte er mich in anderem Arrangement – einmal auf der Sofalehne als Ariadne, einmal als Leda, einmal als Ganymed, einmal auf allen vieren als weiblichen Nebuchod-Nosor. Dabei schwärmte er von Umbringen, von Erschießen, Selbstmord und Kohlendampf. Frühmorgens nahm er eine Pistole ins Bett, lud sie voll Spitzkugeln und setzte sie mir auf die Brust: Ein Zwinkern, so drück' ich! – Oh, er hätte gedrückt, Moritz, er hätte gedrückt! – Dann nahm er das Dings in den Mund wie ein Pustrohr. Das wecke den Selbsterhaltungstrieb. Und dann – brrr – die Kugel wäre mir durchs Rückgrat gegangen.
Moritz Lebt Heinrich noch?
Ilse Was weiß ich! – über dem Bett war ein Deckenspiegel im Plafond eingelassen. Das Kabinett schien turmhoch und hell wie ein Opernhaus. Man sah sich leibhaftig vom Himmel herunterhängen. Grauenvoll habe ich die Nächte geträumt. – Gott, o Gott, wenn es erst wieder Tag würde! – Gute Nacht, Ilse. Wenn du schläfst, bist du zum Morden schön!
Moritz Lebt dieser Heinrich noch?
Ilse So Gott will, nicht! – Wie er eines Tages Absinth holt, werfe ich den Mantel um und schleiche mich auf die Straße. Der Fasching war aus; die Polizei fängt mich ab; was ich in Mannskleidern wolle? – Sie brachten mich zur Hauptwache. Da kamen Nohl, Fehrendorf, Padinsky, Spühler, Oikonomopulos, die ganze Priapia, und bürgten für mich. Im Fiaker transportierten sie mich auf Adolars Atelier. Seither bin ich der Horde treu. Fehrendorf ist ein Affe, Nohl ist ein Schwein, Bojokewitsch ein Uhu, Loison eine Hyäne, Oikonomopulos ein Kamel – darum lieb' ich sie doch, einen wie den andern und möchte mich an sonst niemand hängen, und wenn die Welt voll Erzengel und Millionäre wär!
Moritz Ich muß zurück, Ilse.
Ilse Komm bis an unser Haus mit!
Moritz – Wozu? – Wozu –
Ilse Kuhwarme Ziegenmilch trinken! – Ich will dir Locken brennen und dir ein Glöcklein um den Hals hängen. – Wir haben auch noch ein Hü-Pferdchen, mit dem du spielen kannst.
Moritz Ich muß zurück. – Ich habe noch die Sassaniden, die Bergpredigt und das Parallelepipedon auf dem Gewissen – Gute Nacht, Ilse!
Ilse Schlummre süß!... Geht ihr wohl noch zum Wigwam hinunter, wo Melchi Gabor meinen Tomahawk begrub? – Brrr! Bis es an euch kommt, lieg' ich im Kehricht. Eilt davon.
Moritz allein – – – Ein Wort hätte es gekostet. – Er ruft – Ilse! – Ilse! – – Gottlob, sie hört nicht mehr.
– Ich bin in der Stimmung nicht. – Dazu bedarf es eines freien Kopfes und eines fröhlichen Herzens. – Schade, schade um die Gelegenheit!
... ich werde sagen, ich hätte mächtige Kristallspiegel über meinen Betten gehabt – hätte mir ein unbändiges Füllen gezogen – hätte es in langen schwarzseidenen Strümpfen und schwarzen Lackstiefeln und schwarzen, langen Glacéhandschuhen, schwarzen Samt um den Hals, über den Teppich an mir vorbeistolzieren lassen – hätte es in einem Wahnsinnsanfall in meinem Kissen erwürgt... ich werde lächeln, wenn von Wollust die Rede ist... ich werde – Aufschreien! – Aufschreien! – Du sein, Ilse! – Priapia! – Besinnungslosigkeit! – Das nimmt die Kraft mir! – Dieses Glückskind, dieses Sonnenkind – dieses Freudenmädchen auf meinem Jammerweg! – – O! – O!
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Im Ufergebüsch.
Hab' ich sie doch unwillkürlich wiedergefunden – die Rasenbank. Die Königskerzen scheinen gewachsen seit gestern. Der Ausblick zwischen den Weiden durch ist derselbe noch. – Der Fluß zieht schwer wie geschmolzenes Blei. – Daß ich nicht vergesse... er zieht Frau Gabors Brief aus der Tasche und verbrennt ihn. – Wie die Funken irren – hin und her, kreuz und quer – Seelen! – Sternschnuppen! –
Eh ich angezündet, sah man die Gräser noch und einen Streifen am Horizont. – Jetzt ist es dunkel geworden. Jetzt gehe ich nicht mehr nach Hause.
Dritter Akt
Erste Szene
Konferenzzimmer. – An den Wänden die Bildnisse von Pestalozzi und J. J. Rousseau. Um einen grünen Tisch, über dem mehrere Gasflammen brennen, sitzen die Professoren Affenschmalz,
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