Heart beats sex
1. Kapitel
E s ist aus und vorbei. Aber dennoch liebe ich ihn. Ich liebe ihn.
Eher würde ich zwanzigmal sterben, als einen anderen zu nehmen, wenngleich ich beim letzten Krach drohte, wieder zurück zu Liam zu gehen, oder zu Hank. Aber nur, weil ich ihn unter Druck setzen wollte. Was blieb mir übrig? Wie kann man einen Ossi aus Rumänien dazu kriegen, dass er einen heiratet? Einfach fragen? Aber nicht, wenn er ein Superstar in der Musikszene ist.
Meine wundervolle, liebste, beste Freundin Ulya redete hundertmal dagegen an.
»Heiraten? Warum willst du heiraten? Krall dich doch nicht in solch alte Hüte.« Ulya – roter schöner Mund und weiße Zähne, darauf fährt jeder Typ ab, die Augen, ihr goldfarbenes dichtes Haar, ihre Figur und ihre Coolness à la Scarlett Johansson. Manchmal erinnerte sie mich an meine beste Freundin, Jeka Chagall, damals in Berlin. Zwar waren sie optisch total verschieden, doch beide hatten dieses für mich russische, selbstbewusste Auftreten.
Beide waren sich ihrer Meinung und Haltung immer sicher. »Stell dir doch mal vor, du mit so einem altmodischen Hut mit Blumen drauf! Wozu soll das gut sein? Als Schutz vor Hartz IV?«
Mir ist das gleichgültig, ich will ihn heiraten.
An jenem Nachmittag wollte ich es hinkriegen. Nackt und
bildschön lag er auf unserem dunkelblauen Himmelssatin. Nackt und weiß und duftend. Er hat ein geheimes Eau de Toilette, das er extra anfertigen lässt und das ich für mich Fragrance of God getauft habe. Der Duft Gottes. Das finde ich nicht übertrieben, denn es ist der Geruch einer blühenden Frühlingswiese! Und wo könnte Gott sich olfaktorisch besser ofenbaren? Wie eine feuerspeiende Sphinx hockte ich über ihm. Wie eine hungrige Hündin, die nach dem Blut aus seiner Kehle lechzt. Ich drückte mein Kreuz durch, so dass mein Po ganz hoch stand und die Spitzen meiner Brüste sich abwechselnd an seinem dunklen krausigen Busch rieben. Langsam schnüfelte ich mich von seinem Bauchnabel hoch bis hinauf zu seiner Kinnspitze, spürte seinen Bart, biss ihm leicht und sanft in die Unterlippe, schüttelte meinen Kopf ein wenig, nur spielerisch, wie ein Schakal, der ein Stück Fleisch losreißen will, und als die Ahnung von Schmerz ihn tief Luft holen ließ, schob ich meine Zunge zwischen seine Zähne wie eine Schlange, die sein Herz sucht.
Wir können diese Spiele von mittags bis in die Nacht ausdehnen, weil er vor zwei nie seine Auftritte hat. Jedenfalls, seit ich von zu Hause ausgezogen bin und die Schule kurz vor dem Abi an den Nagel gehängt habe.
In den letzten Tagen aber habe ich die Spiele (die circenses! ) nicht ausgedehnt, sondern Feuer an seine weiße Haut mit der Frage gelegt, wie er sich unser Zusammensein nach der Saison vorstelle. Es ist Saisonende, da werden die Bürgersteige hochgeklappt, und alles entflieht in die Hauptstädte Europas. Er nach London, und ich?
Er ist groß, schlank, nie gebräunt, das dunkle schwere, glänzende Haar mit einem schillernden Rotstich, der Blick aus dunklen konzentrierten Augen scheinbar in die Ferne gerichtet, in Wahrheit aber auf das entfesselte Toben Tausender von
Tänzern. Das war es, was mich von Anfang an anzog: Dieser Blick in die Ferne, der umschlagen kann, wenn ich ihn berühre. Was kalt und starr ist, beginnt zu leben.
Sein Blick hat mich von Anfang an gefangen, ein Blick, der unter meiner Berührung aufzublühen beginnt – Bienen, Hummeln, Schmetterlinge flattern auf. Gleich als ich ihm das erste Mal in die Augen sah, ließ dieser Blick eine Zeile von Celan in meinem Denken aufleuchten (» Es ist Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt«), und kaum hatte ich mich an diese Worte erinnert, da wandelte sich sein eisiger Blick, und der ganze Mann begann zu blühen. Eine schöne Frühlingswiese, in die ich mich warf.
So etwa erzählte ich es auch Ulya, nachdem ich ihm das erste Mal persönlich begegnet bin.
»Vergiss es«, sagte sie, »der Mann ist aus Stein.«
»O ein Stein, wie schön! Dann werde ich ihn aufheben, diesen Mann, und in wilder Hofnung halten, bis er zu blühen beginnt.«
»Er ist Musiker.«
»Ulya, es ist doch immer so, egal ob im ersten oder letzten Satz – es soll die Sprache der Liebe ertönen! Darauf warten wir bangen Herzens doch alle.«
Die Liebe. Ich finde, es ist in der Liebe wie in der Musik, die ja einst aus den Urgeräuschen der Welt entstand und all das Rauschen, all das Dröhnen und Donnern, das Knarzen und Knacken erst abwerfen musste, bis sie in Akkorden und
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