Frühstück um sechs
bringen«, sagte Mr. O’Neill. »Sonderbar, daß er gerade Grogan heißt. Es gibt nämlich in Detektivgeschichten einen Mann dieses Namens. Sehr kluger Kopf, für meinen Geschmack bloß ein bißchen hochtrabend, während dieser junge Mann kein bißchen eingebildet war. Ein sehr angenehmer Mensch, nicht wahr?«
»Sehr«, bestätigte Larry aus tiefstem Herzen.
Nachmittags zum Tee kamen wir, wie vereinbart, mit Julian zusammen. Sein furchtbarer Hut war verschwunden und die feine Krawatte wieder an ihrem Platz. Wir setzten uns an einen kleinen Tisch. Ein Weilchen herrschte Schweigen, dann erfaßte uns alle drei ein geradezu schmerzhafter Lachkrampf. Mir rollten dabei die hellen Tränen übers Gesicht.
»Nie — nie im Leben vergesse ich diese Szene«, brachte ich prustend heraus.
»Das brauchen Sie auch nicht, liebe Susan«, sagte Julian, »mich hat nämlich ein Straßenfotograf geknipst, wie ich als eleganter Detektiv durch die Arkade ging. Er hat mir seine Karte gegeben. Ich werde dieses Foto holen und Ihnen schenken. Und eine Vergrößerung, eine ganz große, bekommt Larry als Mahnmal!«
»Wenn Sie doch bloß nicht so angeben wollten«, sagte Larry kummervoll. »Immerhin haben Sie sich benommen wie ein Engel und —wie ein Schweinehund.«
»Eine recht kuriose Kreuzung, wie der Farmer sagen würde. Und jetzt wollen wir literweise Tee trinken und uns erholen.«
Larry öffnete ihr Geldtäschchen. »Wieviel haben Sie für das Ding bezahlen müssen? Oh, Julian, Sie haben mir das Leben gerettet!«
»Das bezweifle ich. Irgendwie wären Sie schon aus der Sache ‘rausgekommen. Stecken Sie Ihr Geld nur schön wieder weg, Freundchen. Ich werde Ihren Herrn Gemahl, der so viel leiden muß, bitten, das Schmuckstück einem braven Mädchen — oder einer jungen Frau, die von jetzt an immer auf guten Wegen wandeln will — zu schenken. Sie sehen, ich nehme Sie beim Wort.«
»Ja, gewiß«, sagte Larry mit vollendeter Schauspielkunst, »aber trotzdem will ich bezahlen. Schließlich hatte ich ja zwei Pfund dafür bekommen. Seien Sie nicht so dumm, Julian, Sie müssen das Geld von mir annehmen!«
»Nein, statt dessen habe ich Ihr Versprechen akzeptiert.«
»Das gerade ist mir ja so unangenehm! Viel lieber würde ich Ihnen das Geld geben.«
»Wie fein Sie Gedanken lesen können, meine Süße! Sie dachten: Ich will bar bezahlen, dann kann ich mein Versprechen vergessen. Kommt nicht in Frage!«
»Ach, verflixt! Tugendhaft sein und immer die Wahrheit sagen, das würde aber ein langweiliges Leben.«
»Wie wollen ausgerechnet Sie das beurteilen können? Tun Sie nun endlich Ihr Geld weg. Wenn Sam einverstanden ist, soll der Anhänger ein Geschenk sein — und eine furchtbare Warnung. Jedenfalls habe ich den Kerl ordentlich gedrückt, diesen Juwelier.«
»Haben Sie ihm gesagt, er hätte mich übers Ohr gehauen?«
»Nein. Ich fand es besser, über Ihren Handel möglichst wenig zu sagen. Habe ihm nur erklärt, ich wollte es als Geschenk für ein armes, irregeleitetes Mädchen haben, das sich was Böses eingebrockt hätte. Ich weiß nicht, was es sich darunter vorgestellt hat, aber da er auf einmal so vertraulich wurde, hat er wahrscheinlich das Schlimmste vermutet. Ich sagte, das Mädchen habe versprochen, ehrlich zu werden, und sollte von mir den Schmuck als ewiges Andenken bekommen, damit sie ihr Versprechen nie vergißt.«
»Sie sind ja eine Bestie, Julian — einem das so dick unter die Nase zu reiben!«
»Mr. Wilson hielt mich nicht für eine Bestie, sondern für einen menschenfreundlichen Herrn — jawohl, trotz des Hutes und der tollen Krawatte. Er sagte sogar, es sei schade, daß es nicht mehr solche Menschen gäbe, die sich für arme gefallene Mädchen einsetzen!«
26
»Ich glaube, man muß sich damit abfinden, daß das Leben mit den Jahren langweiliger wird«, sagte Larry an ihrem siebenundzwanzigsten Geburtstag.
Es war Ende Juni. Sie schaute mißmutig durchs Fenster in die winterliche Landschaft. Nachmittags war sie mit Sam zu uns gekommen, und die Männer hatten sich zu den Schafhürden begeben, um Reparaturen zu machen. Tim, Anne und ihr Vater sollten später nachkommen, um bei uns am Festessen zu Larrys Ehren teilzunehmen. Aber das Geburtstagskind war ausnahmsweise einmal ganz schlechter Laune.
»Auf dem geraden und schmalen Pfad der Tugend wird der Menschen schrecklich eingeengt«, sagte sie. »Übrigens habe ich gestern von Julian einen ganz häßlichen Brief bekommen. Habe ihn mitgebracht,
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