Frühstück um sechs
ich großen Hunger, doch ich beschloß, aufs Mittagessen zu verzichten, wenigstens vorläufig. Es wäre sonst deutlich zu erkennen gewesen, wo ich aufgehört hatte, falls ich die Arbeit für eine Weile unterbrach. Es ging gegen zwei, als ich merkte, daß nur noch bedenklich wenig Farbe im Kanister war. Da es der einzige war, den ich in der Stadt auftreiben konnte, und ich bestimmt den gleichen Farbton nicht mehr bekam, malte ich nun langsam und bedächtig. So vertieft, daß ich ganz überrascht war, als ich entdeckte, wie wenig noch zu malen übrigblieb, nur ein kleines Stück um das Bett herum. Unter dem Fenster und in der Nähe der Tür glänzte der Fußboden schön wie ein hellgrüner See, aber ein sehr nasser.
Ich kletterte aufs Bett, und es gelang mir, indem ich mich, sozusagen nur an den Zehen hängend, gefährlich weit über den Rand beugte, die Fläche unter dem Bett rundherum zu streichen. Und erst, als ich den allerletzten Rest Farbe verbraucht hatte, überlegte ich, wie ich nun herauskommen sollte. Über den klebrigen Boden gehen wollte ich nicht, besonders weil keine Farbe mehr da war, um Schäden auszubessern. Mein Hunger rang mit dem Stolz auf mein Werk. Ich beschloß, im Bett zu bleiben. Wollte versuchen, ein wenig zu schlafen, dann verging die Zeit schneller.
Endlich schlief ich auch ein, und gleich träumte mir, es ginge jemand über die Veranda. Unsinn! Das konnte nur eine Erinnerung an den gestrigen Überraschungsbesuch sein. Ich kicherte, als ich an Pauls Gesicht dachte. Wie komisch hatte er mich angeglotzt durch das Loch, das er mit dem Kopf in die Tapete gemacht hatte. Und die Nase! Der Gedanke an die Nase muß mich aufgeweckt haben. Es ging wirklich jemand auf der Veranda!
Ich hörte einen Mann, der anscheinend mit sich selbst sprach: »Es muß jemand dasein, das Radio ist doch im Gange.«
Mich hatte der Lärm des elenden Apparats so abgestumpft, daß ich schließlich gar nicht mehr daran dachte, ob er lief oder nicht. Aber die Stimme draußen kam mir bekannt vor. Wo hatte ich diese energische, knappe Stimme schon gehört? Jetzt sprach der Mann lauter, wie mir schien, zu jemand im Hintergrund. »Es antwortet keiner, liebes Kind. Ich muß mal an die Hintertür gehen, das ist ja hier so üblich.«
Der Colonel! Kein anderer Mensch als der Panjandrum hätte so geringschätzig von einer Hintertür sprechen können.
Was sollte ich tun? Wenn er ums Haus ging, mußte er an meinem Fenster vorbei. Es hatte eine hohe Brüstung, doch der Colonel war ja nicht klein. Selbst der feinste und höchste Herr würde wahrscheinlich einen Blick durch die Scheiben werfen und sah dann eine sehr schmutzige Frau auf einem ungemachten Bett liegen! Rasch beugte ich mich über die Kante und betastete den Fußboden. Noch so naß wie vorher! Eine sehr langsam trocknende Farbe. Aber für keinen Colonel der Welt hätte ich meinen schönen Anstrich verdorben. Am besten, wenn ich mich jetzt gleich meldete.
Gerade wollte ich das tun, da kam sein Kopf am Fenster vorbei. Ein echter Pukka Sahib! Mit >Augen rechts<, vom Fenster abgewandt, ging er dahin.
Ich blökte schwächlich: »Colonel Gerard, sind Sie es?«
Die Schritte hörten auf. Er schaute noch nicht herein, trotz meiner jammernden Töne. Ich packte den Stier bei den Hörnern: »Würden Sie bitte ans Fenster kommen?« fragte ich. »Ich kann nicht aus dem Zimmer heraus; helfen Sie mir bitte!«
In seinem Gesicht, als es endlich am Fenster erschien, rang die Galanterie eines Ritters der alten Zeit mit der aus guter Erziehung geborenen Reserve eines modernen britischen Offiziers, der sich nicht gestattet, ins Fenster — offensichtlich das Schlafzimmerfenster — einer Dame zu blicken. Er lüftete den Hut zum exakt abgezirkelten Gruß. »Guten Tag, Mrs. Russell. Ich muß um Entschuldigung bitten, daß ich...«
»Oh, durchaus nicht. Entschuldigen müßte ich mich. Aber — ich habe nämlich den Fußboden gestrichen — finden Sie ihn nicht hübsch? — und da war ich so begeistert, daß ich immerzu weitermalte.« Und ich stammelte immerzu weiter zusammenhangloses Zeug, was ich sehr wohl merkte, aber einfach nicht lassen konnte. Seine starre Höflichkeit hatte mich völlig verwirrt. »Und die Farbe wurde mir knapp, und ich habe keine mehr davon, und zuletzt merkte ich erst, daß ich mich direkt ins Bett eingemalt hatte. Und nun kann ich nicht ‘raus.«
»Sehr peinlich, ja. Ist außer Ihnen niemand im Hause?«
»Ach nein. Paul hat am Grenzzaun zu tun. Er hat von der
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