Frühstück um sechs
Küchenwand mit weit ausholenden, breiten Pinselstrichen bemalt. Ich hielt es für geboten, Pauls Bemerkung zu ignorieren.
»Malen ist keine Schnellarbeit«, fuhr er geduldig fort, »das muß man langsam und sorgfältig machen. Die Wand hier sieht ja aus wie ein impressionistisches Gemälde.«
Ich legte den Pinsel hin, ganz sanft, daß niemand denken konnte, ich sei ärgerlich. »Das Kritisieren laß nur bleiben«, sagte ich. »Vielleicht möchtest du lieber selbst malen?«
»Also gut«, sagte mein Gatte, abscheulich vernünftig. »Bis Mittag haben wir noch eine Stunde, dann kann ich’s jetzt gleich machen.«
Eine Stunde bis Mittag! Der Arme mußte länger warten. In wahrer Leidenschaft für das Malen befangen, hatte ich an so prosaische Dinge wie Essenkochen gar nicht gedacht. Spielen etwa die Mahlzeiten eine Rolle, wenn man seine Wohnung renoviert? Essen konnten wir doch zu beliebiger Zeit. Freilich wollte Paul das nicht einsehen.
Auf diese Weise verging im April fast jeder Tag. Im März war bedauerlich trockenes Wetter gewesen, also drängte naturgemäß die Landarbeit. Daher hatte ich schließlich vor Verzweiflung allein mit dem Renovieren angefangen. Zumindest hatte ich die Wohnung verändert, was nicht jeder von sich behaupten kann. Ein paarmal hatte erfreulicherweise Regen gedroht. Daß er nicht kam, war nicht meine Schuld. An den Tagen hatten wir zwei Räume ganz ordentlich tapeziert. Ich muß sagen, daß Paul wohl langsam arbeitet und nicht leicht zufrieden ist, aber jedenfalls macht er alles gründlich, und insofern ergänzten wir uns gut.
Larry war sehr entzückt von den Tapeten und meinte, die Arbeit sähe ganz fachmännisch aus. Sie wurde beinah ärgerlich, weil bei ihr kein Zimmer neue Tapeten oder Farbe brauchte. »Das ist das Schlimmste an einem neuen Haus«, sagte sie. »Kein Spielraum für Originalität. Einfach langweilig.«
Na, unseres war jedenfalls originell. Es ist verblüffend, wieviel Individualität der Mensch beim Bemalen einer Wand entfalten kann. Jeder konnte mit einem Blick erkennen, wo mein Temperament aufhörte — mit einem schneidigen Spritzer — und wo Pauls bedächtige Arbeit anfing.
Doch das Schlimmste sollte erst kommen. Angespornt durch das schöne Ergebnis unserer Tapeziererei, wurde ich so verwegen, daß ich das Schlafzimmer an der Vorderseite in Angriff nahm. Dieser Raum war nachträglich an die Veranda angebaut worden und hatte sogar eine tapezierte Decke gehabt, ein Greuel früherer Epochen. Inzwischen hatten die Jahre ihr Werk getan: Die Tapete hing in trübseligen Fetzen herunter und wischte einem jedesmal, wenn man ins Zimmer kam, durchs Haar.
»Dieses Zimmer müssen wir unbedingt schleunigst renovieren«, hatte ich zu Larry gesagt, »die Decke ist ja ein Drecknest, so richtig wie in den Schilderungen von Hinterhöfen in Büchern.«
»Ja, schön ist sie nicht. Aber sag mir, Susan, hast du schon mal probiert, eine Zimmerdecke zu tapezieren oder zu malen?«
»Nein, doch das wird ja wohl nicht anders sein als bei einer Wand«, erwiderte ich.
Larry kicherte und schwieg.
Ich begriff sowohl ihr Kichern wie ihr Schweigen, als wir mit der Decke begonnen hatten. Wir waren beide von Anfang an nicht in Form. Da der Rundfunk schlechtes Wetter vorausgesagt hatte, schnitten wir die Tapeten über Nacht zurecht, und ich rührte Kleister in riesigen Mengen an. Als der Morgen sonnig und heiß begann, las ich in Pauls Augen hellen Zorn, daß er nicht zum Zaunflicken gehen konnte. Prompt erklärte ich ihm, der Kleister würde vielleicht unbrauchbar werden, wenn wir ihn nicht gleich benutzten. Wahrscheinlich hat er das keinen Moment geglaubt, doch er gab nach.
Abgesehen davon, daß wir die dünne Zwischenwand ausbessern mußten, war es mit den Wänden nicht so schlimm.
Paul hängte beharrlich und sehr akkurat einen Streifen nach dem andern auf, indes ich mit allen möglichen Handreichungen hin und her flitzte. Holte die Rollen, schmierte Kleister auf und hielt ihm die langen klebrigen Streifen bereit. Als er sich gerade an einem schwierigen Winkel bemühte, hörte er plötzlich auf und sagte in hartem Ton: »Zum Deubel, was ist denn das für ein Biest?«
Ich dachte, es sei mindestens ein fremder Bulle in unseren Garten gedrungen, doch er wies nur auf eine ziemlich kleine Wespe, die vor seinem Gesicht summte. Da staunte ich, denn Paul ist eigentlich ein sehr tapferer Mann, was er im Kriege bewiesen hat. Er hat auch vor wirklich ekligen Tieren und Dingen, wie Ratten,
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