Fuchsteufelswild
Wadln«, hat der Hauptkommissar ihn abschlieÃend ermahnt.
Doch ein Initiationsritual, hat die Wiesner dem Jonny beigestimmt, Marke Sandnerâscher Humor. Was er denn bei »drei« hätte tun sollen, hat der Frischling von ihr wissen wollen. Die Wiesner hat mit den Schultern gezuckt.
I n Bad Kohlgrub ist der Sandner mit den Eltern des Toten den Berg wieder hinuntergezuckelt â das heiÃt, er ist gezuckelt, die beiden haben einen strammen Marschrhythmus aufgenommen. Die Frau hatte sich bei ihrem Gatten untergehakt â oder er hat ihren Arm eingeklemmt gehabt. Ausgesehen hat es, als würde er sie den Weg entlangzerren.
Bald ist es der Sandner leid gewesen, Schritt zu halten. Es ist sowieso schweigsam dahingegangen. Er ist zurückgeblieben. »Das hat ja so kommen müssen.« Damit kann er sich nicht zufriedengeben. Da hat ihm der Brandl einen Bissen zugeworfen, und jetzt triefen ihm die Lefzen. So kann er nicht ruhig zurückfahren, Herrgottsakrament!
Runter gehtâs bis zur Kirche. Er lässt das Paar endgültig ziehen und schaut sich um im Karree. Ins Gotteshaus will er nicht, obwohl er Kirchen schon etwas abgewinnen kann, rein baulich und atmosphärisch. In einer Burg hausen will auch keiner mehr. Im Winter den Arsch von der Mauer hängen zu lassen, weil das Klo erst hundert Jahre später erfunden wird, ist keine Alternative. Einzig im Betrachten liegt der Zauber. Wo eine Kirch gebaut ist, kann der Gasthof nicht weit sein. Das Elementare, Seite an Seite. Geglaubt haben die Leut allerweil etwas und gefressen auch. In alter Zeit sicherlich ein leerer Ort, wenn die Glockenschläge eisern gemahnt haben, als würde dem sündigen Menschen der Messdiener persönlich mit dem Klöppel den Buckel bläuen. Einen schrägen, misstrauischen Blick hättest du bekommen statt einem Frühschoppen, unchristlicher Heide.
Heutzutage muss man natürlich fuÃläufig entweder einen Banktempel oder ein Einkaufszentrum hochziehen, damit die Leut eine Wahl haben in ihrer Religionsausübung. Das haben sie zum Beispiel in der Münchner Messestadt hervorragend gelöst. Nur der Kirchturm muss allerweil am höchsten sein, a bisserl Anspruch gehört dazu.
Der Franz Grillparzer hat geschrieben, Religion wäre die Poesie der unpoetischen Menschen.
Wie der Hartinger dem Hauptkommissar mitgeteilt hatte, wäre der Tote lange in Indien gewesen, bezüglich spiritueller Unterweisung, und hätte zuletzt die wissensdurstigen Münchner mit Weisheiten hinduistischer Meister versorgt. Bei der universellen Sinnfindung hat er mitgekartelt.
Wie man in Indien einen besonderen Sinn finden kann, den es in den Garmischer Bergen nicht gibt, hat sich dem Sandner bisher nicht erschlossen.
Seine Tochter, die Sanne, versucht ab und an, ihm die buddhistische Lebenssicht näherzubringen, quasi Crashkurs an den spärlichen Wochenenden, an denen sie sich in München blicken lässt. Seit sie in Wien mit dem Flötenhansl von den Philharmonikern haust, sind die Gelegenheiten dazu dürftig genug. Bezüglich Weisheit scheint er eh eine hoffnungslos imprägnierte Haut zu besitzen. Die hat ihn nicht bewässern können. Vieles ist ihm jedoch charmant dahergekommen, unter anderem, dass ein Buddhist nie danach trachtet, unbelehrbare Mitbürger aufs Blut zu triezen oder gar Reisighaufen für sie aufzuschichten. Friedfertigkeit findest du bei den anderen Weltreligionen höchstens in ihren Propagandaschriften. Von daher lässt sich der Sandner von seiner Tochter gern in Gespräche über das Dasein verstricken. Er teilt auch ihren Grant auf die »gschissenen Chinesen«. Denen ginge das Herschinden eines Mönchs im geräuberten Land so selbstverständlich von der Hand wie humanen Leuten das Zähneputzen.
Aber Indien ist eine andere Nummer. Mit den Hinduweisheiten hat der Sandner bis dato nix am Hut. Das Kamasutra solltest du nur büffeln, wenn du mindestens das Sportabzeichen in Silber dein Eigen nennst. Von transzendentaler Meditation und Ashrams hat er zum ersten Mal im Zusammenhang mit den Beatles gehört. Ob man darüber hinaus die Levitation mittels yogischem Fliegen, alternativ Quantenphysik, geisteskräftig überlisten kann, ist dem Sandner schnurzwurscht, solang noch Schuhe verkauft werden. Wenn dir wer für exklusive Erkenntnis das Geld aus der Tasche leiern will, wartest du besser, bis es Volkswahrheit beim Discounter gibt.
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