Fuchsteufelswild
Manche Lehre leert vor allem das Geldsackerl und als Dreingabe das Hirnstüberl â ein gspaÃiger Kreislauf. Weisheit einkaufen zu wollen zeugt von wenig Talent dazu.
Als junges Madl ist die Corina, seine Exfrau, mit einer Freundin in Rajasthan umhergezogen. Backpacking. Exzerpierende Mitteilung: Wer nicht selbst dort gewesen wär, hauste im Tal der Ahnungslosen. Bei jedem Ortsnamen solltest du kundig-wissend aufschnauben. Ein exklusiver Verein, die Indientraveller. Als hätte sie alle ein Nahtoderlebnis beglückt, inklusive passender Lightshow.
Den Nahtod haben aber prozentual gerechnet eher die Einheimischen vor Augen, auÃer man reist gern mit einem der busähnlichen Vehikel, oder du probierst es mit eigenhändigem Autofahren. Selbst die Komplexität der Verdauung wird in salbungsvolle Sätze gehüllt, weil die sinnlichen Erfahrungen so exorbitant seien. Nein â das ist nicht einfach nur gedankenarmes, glubschäugiges DaherscheiÃen, wie du es im Rest der Welt praktizieren magst.
Dem Sandner ist klar, dass mit Exportweisheit die Menschen zu faszinieren sind. Vielleicht ist die einheimische Weisheit vom akuten Aussterben bedroht, und du findest sie nur noch in entlegenen Fleckerln, bei der ein oder anderen Hex respektive dem bergkundigen Eigenbrötler. Kontemplation inbegriffen.
D ie Gastwirtschaft brummt. Unter der Kanzel wird auch nicht mehr Leben sein. Einheimische und Gäste fraternisieren bei der ersten Halbe des Morgens.
»Zum Vogelwirt«. Nicht zuletzt der schräge Vogel verweist darauf, dass du die Leut auch ornithologisch charakterisieren könntest. »Die Menschen werden alle zu Adlern, wenn man ihnen die Wege zum Glück bahnt«, hat der Kaiser Friedrich einst behauptet. Ohne die rechte Anbahnung können sie gschwind zu Aasgeiern mutieren, weià der Münchner aus dem kriminalistischen Alltag. Da besteht ein naher Verwandtschaftsgrad. Alternativ böten sich auch goldnarrische Elstern an.
Der Sandner setzt sich zu einem älteren Pärchen an den Eichentisch, Tendenz zu Rotkehlchen, Erithacus rubecula, Familie der Fliegenschnäpper. Fleecepullis im Partnerlook, die rosige Gesichtshaut cremeglänzend.
»An guadn Morgen, is recht?«, fragt der Polizist und greift nach der Karte.
Die beiden lächeln und nicken synchron. Vielleicht geht er als Hiesiger durch, und die Tischgefährten frohlocken über den assimilatorischen Charakter der Begegnung. Wie das Bedienungsmadl sich vor ihm aufbaut, in ganzer fescher Blüte, bestellt er sich ein Kännchen Kaffee und eine Butterbrezn. Ein besserer Magentratzer zum Anfang. Dabei fällt ihm auf, dass ihm hier an einem Tag mehr Leut freundliche GruÃworte in die Ohren träufeln als in München in einem Monat â falls das Wetter harmoniert.
In alter Zeit hätte er einfach ins Rathaus marschieren können und sich alle Geschichten brühwarm abgeholt. Ratlos schaut er sich um, bis sein Blick durchs Fenster auf vorbeihastende Kirchgänger fällt. Alle im Sonntagsstaat.
Beim Seelenhirten wird er anklopfen, sobald der seine reuigen Schäflein wieder aus dem Pferch gelassen hat. Ein unbestimmtes Gefühl hat er im Bauch, dass es eine sündige Geschichte sein könnte bei dem Burschen, vielleicht mit ein bisserl Fleischeslust garniert.
D ie Wiesner und der Hartinger sitzen in der Dienststelle im Westend dem plaudernden Herrn Stangassinger gegenüber. Zu Wort gekommen sind sie bis dato bei Brandls Geschäftspartner nur sporadisch. Was an sich kein Fehler sein muss. Hat sich schon bei der Inquisition ausgezahlt, allerdings nebst mechanischem Firlefanz.
Der Hartinger gähnt ausgiebig, reibt sich die Augen und glotzt beständig auf die Uhr, während er die Finger auf der Tischplatte steppen lässt. Körpersprache: übermüdeter Zappelphilipp mit subtilem Hang zur Aggression.
Seine Kollegin hat die Beine übereinandergeschlagen, den Kopf leicht schräg gelegt und hört dem Mann aufmerksam zu.
Ein Fescher ist der Herr Stangassinger. WeiÃes Hemd zur Jeans, schmales Gesicht, das blonde Haar fällt ihm immer wieder über die Augen. Etwas Spitzbübisches hat er an sich, als wärâs der erwachsene Tom Sawyer. Die feingliedrigen Hände hat er samt Unterarmen ruhig auf die Tischplatte gelegt. Ãberhaupt strahlt er trotz Redebedarfs eine geballte Ladung an Konzentration aus. Als wär die Luft um ihn verdichtet. Ein
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