Fuck Buddies - Fremde und andere Liebhaber
konnte nicht anders. Es war wie eine Sucht. Kaum eine Woche verstrich, in der er nicht mindestens einmal dort hinging. Ungeachtet der Gefahr, die dort lauerte. Des Risikos, entdeckt zu werden. Oder überfallen zu werden. Bis jetzt war immer alles gutgegangen. Aber er hatte schon so viele andere Geschichten gehört.
Nur kurz. Ganz kurz vorbeischauen. Und nichts erzwingen. Es muss ja nichts passieren. Verkaufe dich bloß nicht wieder unter Wert.
Das dachte er sich jedes Mal, bevor er dort haltmachte.
An der nächsten Station musste er aussteigen. Mark wurde durch eine Frau aus seinen Gedanken gerissen, die sich den Weg zur Tür bahnte und ihm dabei auf den Fuß trat.
„Sorry“, sagte sie.
„Kein Thema“, sagte er.
Nett sieht sie aus, dachte Mark bei sich. Sie erinnerte ihn an Anna. Und sie würde mit ihm aussteigen – also sollte er vorsichtig sein. Die Frau, die wie Anna aussah, und auch sonst niemand sollte ihn für so eine verzweifelte Tunte halten. Eine von der Sorte, die er selbst verachtete. Die alles tun würde für ein bisschen Anerkennung. Daher lieber unsichtbar werden. Und möglichst unauffällig. Sich im Hintergrund halten. Hinter allen anderen Aussteigenden den Bahnsteig verlassen, um als Letzter das Männerklo zu passieren. Um unbeobachtet hineingehen zu können. Damit er sich fallenlassen konnte. Für ein paar Augenblicke. In den letzten Jahren war er immun geworden. Gegen den für andere bestialischen Gestank von Pisse und Exkrementen. Nur Erbrochenes, daran konnte, wollte und würde er sich nie gewöhnen. Einmal, während des Oktoberfestes, hatte er sich so einsam gefühlt, dass er spätabends hierhergekommen war. In der Hoffnung auf einen besoffenen Kerl, der genauso von der Geilheit getrieben wurde wie er. Doch als er damals im Spätseptember an die Urinale getreten war, hatte dort ein widerlicher Typ in seiner eigenen Kotze gelegen. Statt ihm aufzuhelfen oder Hilfe zu holen, hatte er das Alkoholopfer dort liegen lassen – in seinem eigenen Abendessen.
Noch ein paar Meter, dann war er am Ziel. Außer ihm hatten alle den Bahnsteig verlassen. Nun gab es nur noch ihn und die Klappe. Und im Innern hoffentlich noch jemanden. Einen Mann, der seinen Vorstellungen entsprach. Dunkel, behaart, südländisch. Am liebsten einen Macho, der weder obdachlos noch als Zivilfahnder unterwegs war. Er wollte unbedingt abspritzen. Mit einem Schwanz in seinem Mund. Oder indem er jemanden ins Maul fickte. Für mehr war er stets bereit. Er hatte immer ein Kondom dabei. Aber bis dato hatte es für einen richtigen Fick auf der Klappe nie gereicht. Seine Mitstreiter waren nie gut genug für ihn gewesen.
Jedes Mal, kurz bevor Mark mit seinem Ellbogen die schwere Eisentür aufstieß, schien sein Herz einen Hundert-Meter-Sprint gewinnen zu wollen. Auch heute schlug es wie wild.
Ich werde es nie wieder tun. Nur noch dieses eine Mal …
Mit diesem Mantra im Kopf verschwand er. Und der Bahnsteig war wie leer gefegt.
Der Vorraum war wie immer verlassen. Links gelangte man zu den Kabinen, rechts zu den Pissoirs. Von hier aus konnte man nicht erkennen, ob noch jemand anwesend war. Kaum hatte Mark den Raum betreten, kam er sich unbeobachtet vor. Sein Herzschlag normalisierte sich. Nun begann er mit seinem Ritual. Zunächst ging er zu den Kabinen, um zu checken, ob dort vielleicht ein U-Bahn-Bulle darauf wartete, ihn in flagranti zu ertappen. Oder ein Homophober, der ihm den Schädel einschlagen würde, wenn er ihn mit einem anderen Kerl an den Urinalen erwischte. Doch Gott sei Dank schien niemand hier zu sein. Nun ging er hinüber zu den Pissoirs. Bevor er um die Ecke bog, schickte er ein Stoßgebet gen Himmel, in der Hoffnung, dort möge ein Mann stehen, der auf ihn wartete. Nicht irgendeiner. Sondern ein richtiger Kerl. Einer, der kein Klappenprofi war, sondern zum ersten Mal hierherkam, von Neugier und Geilheit getrieben.
Seine Enttäuschung war groß. Außer ihm niemand. Aber zumindest war es an diesem Abend nicht so versifft wie sonst. Keine zerknüllten Taschentücher. Keine Zigarettenkippen. Keine benutzten Kondome. Normalerweise, das wusste Mark, wurde diese Bedürfnisanstalt immer vormittags gereinigt. Dann wurden die Beweise der sexuellen Exzesse mit einem Hochdruckreiniger beseitigt. Was in der Nacht noch wie in Letzte Ausfahrt Brooklyn wirkte – ein Ziel für einsame und von ihrer Libido geplagte Herren schwuler oder sexuell ambivalenter Natur –, verwandelte sich am Morgen auf einmal wieder in einen
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