Fünf Schlösser
aber ich muß gestehen, es war in den ersten Tagen auch zu auffallend. Alle Mädchen gingen an meinem Fenster vorüber und schauten herauf. Mir war so rasend zumute; doch habe ich mich köstlich dabei amüsiert. Denn Du kennst mich ja, wenn ich hübsche Mädchen sehe. Aber nur eine erfreut mich wahrhaft, wenn sie mich eines Blickes würdigt. Schon oft hatte ich das Vergnügen, sie zu sehn. Ach, wenn ich sie nur noch einmal sprechen könnte! O guter, treuer Freund, wenn Du ein kleines Liebeszeichen für mich empfangen könntest, es sollte mir meine Ketten tragen, ja vergessen helfen. Meine gute, liebe Mutter arbeitet Tag und Nacht für mich, und ihren Bemühungen verdanke ich so viel. Ach, wenn ich ihr doch genug dafür danken könnte! Wenn Du wüßtest, wie es in mir gärt und kocht; wenn das so fort geht mit meiner Behandlung, werd ich nächster Tage verrückt. Denke Dir, alle vierundzwanzig Stunden wird bei dieser Kälte nur einmal eingeheizt; wenn ich schlafen gehe, darf ich mich nicht ausziehen, und was dergleichen Schikanen mehr sind, die man sich ausdenkt. Keine Binde, keine Hosenträgerschnalle, nichts darf ich haben; daß ich andere Sachen habe, das wissen sie nicht. Aber nun will ich alles gern ertragen. Ich besitze eine liebe, treue Mutter, eine gute Schwester, geprüfte, treue Freunde und vielleicht auch das Herz eines Mädchens, das mein ganzes Sein ausmacht. Ich bin nicht verlassen, denn man nimmt sich meiner tätig an. Wenn nur nicht gerade meine Richter auch meine Feinde wären. Aber laß das gut sein, ihren Zweck erreichen sie nicht, denn obgleich ich dem Tode mit Trotz ins Gesicht sehe, so ziehen mich doch alle Pferde der Erde nicht zum Schafott. Dafür sage ich Dir gut, und Du kennst mich alte, treue Seele. Der Frau kannst Du unbedingtes Vertrauen schenken, sie ist treu wie Gold, und obschon sie sehr beobachtet wird, Weiberlist geht über alles. Und ich bin Gott sei Dank auch nicht auf den Kopf gefallen. Bald mehr. Lebe froh, genieße Deine Zeit; man ist bloß einmal jung. Grüße meine Freunde und meine heißgeliebte Clara, und sage ihr, wie unaussprechlich ich sie liebe und wie ich nur stets an sie denke. Lebe wohl.
Adalbert von L. an Emil von Arnstedt 3. Januar 37
Mein lieber Arnstedt. Von Clara soll und will ich Dir schreiben. Ja, sie liebt Dich noch mit der Liebe, wie sie Dich stets geliebt hat, und Deine Locke trägt sie beständig auf ihrem Herzen. Sie lebt nur für Dich; auf dem Beamtenverein sprachen wir nur von Dir, und heut noch gehe ich zu ihr, um sie zu einem Briefe zu vermögen. Es war am Sylvester wenig los auf dem Verein, nur ungefähr zehn bis zwölf tanzbare Damen; ich habe mit Clara den Cotillon getanzt und, wie gesagt, nur von Dir gesprochen. Als ich nach Frankfurt zurückkam, hörte ich gleich, daß Du im Gefängnis ungeheuer becourt worden wärest; aber Du hast auch wirklich die ganze Damenwelt auf Deiner Seite. Wenn Deine Richter Damen wären, so würdest Du gewiß freigesprochen und noch obenein General. Deinem vis-à-vis traue ich nicht; sprich nicht davon, daß ich mit Dir korrespondiere. Wenn Du heraus könntest, fast glaub ich, ich würde Dich wegbekommen. Überlege Dir die Sache und schreibe mir darüber. In der Stadt geht das Gerede, ich korrespondierte mit Dir und sollte deshalb festgenommen werden; es ist aber nichts, und ich mache mir auch nichts daraus. Nimm Dich nur in acht, daß Du nicht schlecht dabei wegkommst, denn der alte Oberst von Werder sieht mir höllisch auf die Finger und sitzt jetzt den ganzen Tag am Fenster. So weit schrieb ich heute vormittag; jetzt kann ich Dir auch etwas von Clara erzählen. Ich fuhr sie heute Pikschlitten, und ich hoffe von meiner Überredungskunst das Beste. Es würde mich glücklich machen, wenn sie Dir ein paar Zeilen schriebe. Mein lieber Arnstedt, bist Du in Deinem Briefe auch ganz offen gegen mich gewesen? Hast Du wirklich ganz allein den Entschluß gefaßt? Ich nehme zwar nicht an, daß Du eine Verbindung mit andern in dieser Hinsicht gehabt hast, aber wenn es wirklich so sein sollte, so rette uns Dein teures Leben . Du hast vielleicht Dein Ehrenwort gegeben; es ist so, nun gut, in Amerika, wenn Du loskämest, weiß niemand etwas davon, und Du stehst so gut als Ehrenmann da wie jeder andre. Glaube mir, meine einzige Bitte zu Gott ist jetzt Dein Leben, und wenn alle die Gebete erhört werden, welche dafür zum Himmel emporsteigen, so wirst Du gewiß erlöst. Verzweifle nur nicht, stelle Dich wahnsinnig, aber werde es
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