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Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)

Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)

Titel: Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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Wenn du es vorziehst, stundenlang hier zu stehen und dich aus einem kindischen Rachebedürfnis heraus zu verweigern, könnte es sein, dass in deiner Welt unterdessen nur ein paar Sekunden vergehen. Es könnte sich aber auch um Wochen oder Monate handeln.“
    Ihre hohe Stimme schien sich tief in meinen Kopf zu graben, und am liebsten hätte ich mir die Hände auf die Ohren gepresst. Stattdessen verkrampften sich meine Finger zu Fäusten, während sich Szenen aus Märchen und Fantasyromanen in meine Vorstellung drängten: Geschichten von jungen Männern und Frauen, die sich in die Feenwelt locken ließen und dort die ganze Nacht lang tanzten. Am nächsten Morgen, wenn sie wieder herauskamen, waren sie um Jahrzehnte gealtert oder zerfielen gleich zu Staub. Ich konnte nur hoffen, dass die Richterin sich das bloß aus den Fingern gesogen hatte, um mich zu erschrecken … aber durfte ich mich darauf verlassen?
    Inzwischen hatte sie begonnen, mit dem Fuß auf die steinernen Fliesen zu klopfen – auch ihre Geduld kannte also Grenzen. Weil der Saum ihres Kleides bis zum Boden reichte, konnte ich ihre Füße nicht sehen, doch dem Geräusch nach zu urteilen trug sie keine Schuhe. „Nun? Fällt dir dein Retter wieder ein?“, fragte sie mit leichtem Spott. „Ich sollte dir wohl verraten, wie solche Dinge üblicherweise bei uns ablaufen: Wir lassen uns den Hergang der Rettung berichten, anschließend erhält der Gefallene seine Flügel zurück. Bei dieser Prozedur tropft sein Blut auf den Boden des Gerichtssaals, und dabei bildet sich ein Portal, durch das wir den Menschen heimschicken. Selbstverständlich mit gelöschtem Gedächtnis. Du wirst dich also an dieses mühselige Gespräch nicht mehr erinnern können, aber ich persönlich wäre wirklich froh, wenn es rasch zu einem Ende käme.“
    Ich befand mich in einer Sackgasse, das wusste ich. So lange ich Sam nicht verriet, würde man mich hier festhalten – aber wenn ich es tat, war er verloren. In jedem Fall würde nur einer von uns beiden in die irdische Welt zurückkehren können.
    Anscheinend interpretierte die Richterin mein Schweigen als Trotz, denn sie schnalzte missbilligend mit der Zunge. „Dann beenden wir das jetzt; ich habe nicht die Absicht, mich noch länger mit dir zu befassen. Du musst aber verstehen, dass wir dich nicht frei hier herumlaufen lassen können. Abagrion bringt dich nun an einen Ort, an dem du bleiben wirst, bis du dein Erinnerungsvermögen wiedererlangt hast.“
    Sie hatte kaum zu Ende gesprochen, als sich der Wächter auch schon in Bewegung setzte. Instinktiv wich ich einen Schritt vor ihm zurück und hob die Hände, als hätte ich auch nur die geringste Chance, ihn abzuwehren. „Nein … bitte …“
    „Das wird nicht nötig sein“, tönte es durch den Raum. Ich fuhr herum – und sah Sam neben der Eingangstür, die alberne Sonnenbrille auf der Nase und den Hut tief ins Gesicht gezogen. In letzter Sekunde konnte ich mich noch davon abhalten, seinen Namen zu rufen. Mein Blick zuckte zu der Richterin und dem Wächter hinüber, die Sam mit aufgeklappten Mündern anstierten und offenbar nicht wussten, wo sie ihn einordnen sollten.
    „Was zum …“, begann die Richterin perplex, aber ich kam nicht mehr in den Genuss, einen Engel den Teufel anrufen zu hören. Während sie Sam noch betrachtete wie eine Erscheinung, wirbelte ich herum und stürmte auf ihn zu. Sofort schob er mir einen Arm unter die Kniekehlen und legte den anderen um meinen Rücken. Ich verlor den Boden unter den Füßen, mein Kopf knallte gegen seine harte Brust, dann rannte er los.
    „Wenn du uns in die Scheiße reitest, dann auch so richtig, was?“, rief er mir ins Ohr, nachdem wir das Zimmer der Richterin hinter uns gelassen hatten.
    „Tut mir leid, beim Versteckspielen im Himmel war ich immer schon ganz schlecht“, gab ich japsend zurück und bohrte meine Finger in seinen Nacken. Er hetzte so schnell den Flur entlang, dass die Türen links und rechts zu Schlieren verschwammen. Seit Rasmus menschlich geworden war, hatte ich vergessen, was für ein unglaubliches Tempo übernatürliche Wesen draufhatten. Trotzdem wurde Sam bestimmt von meiner Last gebremst, und sobald die Richterin und der Wächter ihre Verblüffung überwunden hatten, würden sie uns rasch einholen.
    Mit angehaltenem Atem zog ich mich ein Stück an Sam hoch und spähte über seine Schulter. Ich erwartete, den Wächter direkt hinter uns zu sehen, die Arme ausgestreckt, die Fingerspitzen nur wenige

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