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Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)

Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)

Titel: Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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flackerte durch meine Gedanken – Rasmus auf dem Krankenhausbett, erschöpft und abgemagert. „Woher …“, begann ich und schnappte hörbar nach Luft. „Steht er etwa immer noch unter Beobachtung?“
    Die Richterin schüttelte den Kopf. Ihr langes, seidiges Haar schwang um ihre Schultern, und ich meinte, den Luftzug zu spüren. „Das ist überhaupt nicht notwendig“, antwortete sie sanft. „Wir ernten, was wir sähen. Darauf können wir uns verlassen.“
    Wie betäubt starrte ich sie an. Was sie gesagt hatte, ergab für mich zunächst keinen Sinn; war eine hohle Floskel, weiter nichts. Dann sickerte die Bedeutung zu mir durch, und meine Brust zog sich immer enger zusammen.
    „Soll das heißen, Rasmus‘ Schwäche, seine Krankheit – das ist eure Schuld?“ Noch während ich es aussprach, kämpfte mein Geist darum, die Tragweite des Ganzen zu erfassen. Ich hatte in den vergangenen Tagen so viel über die Diagnose des Arztes nachgedacht, hatte im Internet dazu recherchiert und Medizinbücher gewälzt, auf der Suche nach jedem Satz, der von Heilung berichtete … und nun stand ich schlagartig vor der Erkenntnis, dass Sam Recht gehabt hatte. Rasmus litt nicht an M.E. Er litt allein aufgrund der Sturheit einer Handvoll Personen, die ihn einfach nicht in Ruhe lassen konnten.
    „Du darfst uns das nicht übelnehmen. Manchmal heiligt der Zweck eben die Mittel.“ Immer noch sprach die Richterin mit mir, als wäre ich ein störrisches Kind, und auf einmal schäumte glühend heiße Wut in mir hoch.
    „Was zum Teufel soll das für ein Zweck sein, der so etwas rechtfertigt? Wisst ihr überhaupt, wie es ihm geht? Was ihr ihm antut? Das ist unmenschlich!“, stieß ich hervor und verfluchte mich dafür, diesen falschen Ausdruck gewählt zu haben. Die Richterin kommentierte ihn allerdings nicht.
    „Wir sind uns durchaus darüber im Klaren, welche Auswirkungen unser Vorgehen hat“, antwortete sie stattdessen. „Aber letztendlich wird uns Raziel dankbar sein.“
    „Dankbar?! Ihr habt ihm versprochen, dass er als Mensch in der irdischen Welt bleiben darf und dass ihr euch nicht mehr um ihn kümmert …“
    „Das ist es, was er glaubt“, fiel sie mir ins Wort. „Tatsächlich haben wir ihm nur zugesagt, dass er menschlich wird, und genau das ist er – in Bezug auf seine Fähigkeiten und seine körperliche Konstitution. Es wurde allerdings nie vereinbart, dass er sich wie ein gesunder Mensch fühlen sollte.“
    Wie von selbst machten meine Beine einen Satz auf sie zu, aber noch ehe ich mir darüber klarwurde, was ich eigentlich tun wollte, stellte sich mir jemand in den Weg: Der Mann, von dem ich hereingewinkt worden war, hatte seinen Platz an der Tür verlassen. Einige Herzschläge lang verharrte er direkt vor mir, dann trat er mit schnellen Schritten an die Seite der Richterin. Obwohl er kein Wort gesagt, geschweige denn mich angefasst hatte, verstand ich die stumme Drohung genau. Hilflos ließ ich meine Arme sinken und schluckte die Beschimpfungen herunter, die mir in der Kehle brannten. Die Richterin beobachtete mich, unbeeindruckt von meinem Ausbruch. Für sie schien ich nicht mehr als eine Spielfigur zu sein, ebenso wie Rasmus.
    „Aber warum tut ihr das?“, fragte ich nach einer Weile gepresst. „Was nützt es euch, wenn er leidet?“
    „Ganz einfach, er soll begreifen, was das menschliche Dasein eigentlich ausmacht: Mühsal, Krankheit, Tod. Alles, was ihm in der Lichtwelt erspart geblieben ist, soll er nun am eigenen Leib erfahren. Möglicherweise überdenkt er dann seinen Wunsch, zwischen Schatten und Licht zu leben. Ihn zur Heimkehr zu zwingen, wäre sinnlos – ein rebellischer Wächter ist das Letzte, was wir hier gebrauchen können. Aber wenn wir ihm die Konsequenzen seiner Entscheidung nur eindringlich genug vor Augen führen, sieht er hoffentlich seinen Fehler ein und kehrt freiwillig zu uns zurück.“
    „Niemals“, sagte ich, deutlich entschlossener, als ich mich fühlte. „Darauf wird er sich auf keinen Fall einlassen.“
    Die schmalen Augen der Richterin verengten sich noch etwas mehr. „Bist du dir da ganz sicher?“, fragte sie lauernd. „Schön, er hat den Verlust seiner übernatürlichen Fähigkeiten ertragen. Er hat sich damit abgefunden, ständig zu frieren, Hunger und Schmerzen zu leiden. Raziel besitzt einen starken Willen, das habe ich immer gewusst, und genau das macht ihn so wertvoll für uns. Aber wenn die Krankheit weiter fortschreitet … wenn sein ganzer Körper erstarrt

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