Fuer immer zwischen Schatten und Licht
trotzdem überall ein Ausgestoßener. Durch das Öffnen der Tore sorgt er für ein totales Chaos, in dem Engel und Dämonen sich gegenseitig schwächen – eine ideale Situation, um die Kontrolle zu übernehmen.“
„Allerdings ist sein Plan damals gescheitert“, schaltete sich Rasmus erneut ein. „Plötzlich waren die Grenzen wieder intakt, und es heißt, dass es jemandem gelungen ist, den Abaddon zu vernichten. Die Sache hat jedoch zwei Haken. Erstens weiß niemand, wie das geklappt haben soll, weil zwar Engel Dämonen töten können und umgekehrt, der Abaddon aber keines von beidem ist. Oder eben beides zugleich, was ihn unsterblich machen sollte. Und zweitens wurde nicht ausgeschlossen, dass eines Tages ein neuer Abaddon entstehen kann.“
„Beziehungsweise bereits entstanden ist“, ergänzte Sam. „Was uns wieder zu dem Punkt bringt, an dem wir schon waren, ehe wir deinem Schätzchen ellenlange Erklärungen liefern mussten: Ich brauche deine Hilfe.“
Ich achtete nicht auf seine Sticheleien und auch nicht darauf, dass er nur zu Rasmus gesprochen hatte. „Wir sollen dir also dabei helfen, jemanden zu finden, von dem wir weder wissen, wo er sich ungefähr aufhält, noch, wie er aussieht?“
„Treffend zusammengefasst.“
„Aber das ist absurd!“, rief ich aus und warf die Hände in die Luft. Meine Nervosität verwandelte sich nun in Angst, obwohl ich die Tragweite von Sams Erzählung noch nicht einmal vollständig realisiert hatte. „Welche Chance sollten wir schon haben, eine Art Superdämon aufzuspüren, nur weil das in grauer Vorzeit angeblich irgendjemandem gelungen ist?“
„Jetzt komm mal wieder runter“, sagte Sam trocken. „Wenn ich davon überzeugt wäre, dass die Apokalypse unmittelbar bevorsteht und wir sowieso im Arsch sind, hätte ich das gleich gesagt. Zurzeit wissen wir nicht mehr, als dass das Tor zur Schattenwelt sich für einen Augenblick geöffnet hat. Das könnte auch eine ganz andere Bedeutung haben. Aber ich vermute, dass meine Flucht noch nicht entdeckt wurde, und somit sind wir drei die Einzigen, die über dieses Wissen verfügen – Nachforschungen sind also durchaus angebracht.“
Ich ließ seinen Einwand eine Weile auf mich wirken, um mich ein wenig zu beruhigen. „Vielleicht sollten wir versuchen, in der Hauptbibliothek über diese Mythen zu recherchieren?“, schlug ich dann zaghaft vor.
Sam verzog den Mund. „Wenn es unbedingt sein muss. Dort mieft es nur immer so nach alten Büchern und Strebern.“
„Und wonach riechen deiner Meinung nach …“
Aber weiter kam ich nicht: Sam hatte sich über mich gebeugt und sog nahe an meinem Nacken die Luft ein.
Schaudernd sprang ich ein Stück zur Seite. „Lass das“, fauchte ich gereizt. „Übrigens, woher sollen wir wissen, dass das nicht wieder ein Trick von dir ist? Für dich läuft doch alles ganz nach Wunsch, immerhin konntest du hierher zurückkehren!“
Sam ließ die Taschenlampe sinken, sodass sein Gesicht in Finsternis getaucht wurde, und bewegte sich dann langsam in Richtung Ausgang. „Dir müsste doch klar sein, dass ich mich weder im Licht, noch in den Schatten sonderlich beliebt gemacht habe. Sollte es tatsächlich zu einem Kampf kommen, wäre ich unter den Ersten, die dran glauben müssten – da bin ich ganz realistisch. Ihr könnt also sicher sein, dass mir sehr viel daran gelegen ist, diese Sache aus der Welt zu schaffen.“ Schwungvoll stieß er die Tür auf, und da er immer noch meine Taschenlampe hatte, blieb Rasmus und mir nichts anderes übrig, als ihm hinterherzueilen.
Vor dem Turm hielt Sam an und legte den Kopf in den Nacken. Der Mond war nun zur Gänze in den Schatten der Erde eingetreten und hatte ein gespenstisches Rostrot angenommen, fast wie die Farbe von getrocknetem Blut.
„Leute“, verkündete Sam, „ich sage euch, mit dem Ding stimmt was nicht.“
„Scharfsichtig wie eh und je.“ Rasmus nahm ihm die Lampe ab.
„Wie auch immer“, meinte Sam gleichmütig. „Also am Montag um vier vor der Hauptbibliothek.“ Mit diesen Worten kehrte er uns den Rücken zu und stolzierte über die Lichtung davon.
Kopfschüttelnd sah Rasmus ihm nach. „Ein Date mit Samael, dass ich das noch erleben muss!“
„Sogar eines mit Eric wäre mir lieber“, antwortete ich düster.
Statt einer Antwort verschränkte Rasmus seine Finger mit meinen und führte mich zum Waldrand. Ohne mich anzusehen, fragte er dabei: „Du wusstest bereits von seiner Rückkehr, oder? Wieso hast du denn nichts
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