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Fuer immer zwischen Schatten und Licht

Fuer immer zwischen Schatten und Licht

Titel: Fuer immer zwischen Schatten und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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„Sorry, dass ich zu spät bin. Ich wollte Samael wirklich nicht die Gelegenheit verschaffen, seinen Charme zu versprühen.“
    „Ist schon gut“, log ich und trat durch die Eingangstür, wobei ich darauf achtete, Sam auf keinen Fall zu streifen. Erst im Inneren des Gebäudes konnte ich wieder frei atmen, was an den abertausend bedruckten Seiten um mich herum liegen musste: Schon immer hatte ich alles nachgeschlagen, was mich verwirrte oder überforderte, weshalb der Anblick der vielen Bücher eine beruhigende Wirkung auf mich hatte. Ohne zu zögern übernahm ich die Führung und stoppte erstaunt, als Rasmus bereits nach wenigen Schritten in ein Regal griff, um einen Wälzer herauszuziehen.
    „Hiermit sollten wir anfangen“, verkündete er.
    „Was ist das?“, fragte Sam, der inzwischen aufgeholt hatte, und streckte eine Hand nach dem Buch aus. „Doch nicht etwa die Bibel?!“
    „Ganz recht, und an deiner Stelle würde ich sie lieber nicht anfassen. Womöglich gehst du noch in Flammen auf.“
    „Mu-haha“, sagte Sam, zog aber tatsächlich den Arm zurück.
    Wir nahmen an einem freien Tisch Platz, und Rasmus blätterte eine Weile in dem Buch. „Wenn ich mich richtig erinnere, steht es in der Offenbarung – ach, hier ist es.“ Er räusperte sich, ehe er vorzulesen begann: „ Und der fünfte Engel blies seine Posaune; und ich sah einen Stern, gefallen vom Himmel auf die Erde; und ihm wurde der Schlüssel zum Brunnen des Abgrunds gegeben. Und er tat den Brunnen des Abgrunds auf, und es stieg auf ein Rauch aus dem Brunnen wie der Rauch eines großen Ofens, und es wurden verfinstert die Sonne und die Luft von dem Rauch des Brunnens. Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken auf die Erde, und ihnen wurde Macht gegeben, wie die Skorpione auf Erden Macht haben.“
    „Ja, voll mächtig, diese Skorpione“, warf Sam ein.
    „Wart’s ab.“ Rasmus ließ den Finger über die Zeilen gleiten und fuhr nach einigen Sekunden fort: „Okay, hör dir das an. Und die Heuschrecken sahen aus wie Rosse, die zum Krieg gerüstet sind, und auf ihren Köpfen war etwas wie goldene Kronen, und ihr Antlitz glich der Menschen Antlitz; und sie hatten Haar wie Frauenhaar und Zähne wie Löwenzähne und hatten Panzer wie eiserne Panzer “, Rasmus machte wieder eine kurze Pause, „und so weiter, jedenfalls: Sie hatten über sich einen König, den Engel des Abgrunds; sein Name heißt auf Hebräisch Abaddon und auf Griechisch hat er den Namen Apollyon.“
    Sam stieß einen Pfiff aus. „Was für ein kranker Scheiß! Steht da auch etwas darüber, wie wir uns den Abaddon vorstellen sollen?“
    Rasmus schlug eine Seite um, dann schüttelte er den Kopf. „Fehlanzeige.“
    „Na wunderbar. Hauptsache, wir wissen, dass seine Heuschrecken Löwenzähne und Frauenhaare haben!“
    „Ich nehme an, das ist nicht wörtlich zu verstehen“, meinte Rasmus geduldig. „Wahrscheinlich soll das nur ein Sinnbild für den Schrecken sein, so ähnlich wie die Sintflut.“
    Ich zog das Buch zu mir herüber und las die Stelle noch einmal durch, bevor ich aufstand. „Das mit dem Apollyon ist zumindest ein Anfang. Mal sehen, ob ich dazu etwas in der Altgriechisch-Abteilung finden kann.“
    „Ich komme mit“, meldete sich Rasmus und schob seinen Stuhl ebenfalls zurück.
    „Altgriechisch“, sagte Sam. „Yay.“
    In immer langsamer werdendem Tempo schlurfte er hinter uns her, als wir uns auf den Weg zum verlassensten Bereich der Bibliothek machten. Ich steuerte zuerst auf das Regal mit den zweisprachigen Ausgaben zu, wurde dann aber von einer Reihe Wälzer abgelenkt, deren Rücken mit Goldornamenten verziert waren. HOMERVUS – ODYSSEA stand in brüchigen Lettern auf dem ersten der Bücher. Behutsam nahm ich es vom Regalbrett und streichelte den ledernen Einband, bevor ich das Deckblatt aufschlug. Sofort kam mir der unverwechselbare, staubig-süßliche Duft alter Bücher entgegen, und ein Blick auf das Erscheinungsdatum bestätigte meine Vermutung: Diese Ausgabe der Odyssee war fast zweihundert Jahre alt. Während ich mir vorstellte, durch wie viele Hände das Buch wohl schon gegangen war, hob ich es andächtig zu meinem Gesicht, um nahe an den vergilbten Seiten tief Luft zu holen.
    „Soll ich euch beide allein lassen?“
    Ich erstarrte, als warmer Atem über meinen Nacken streifte. Kaum hatte ich mich halbwegs von meinem Schrecken erholt, stellte ich den Wälzer schnell wieder ins Regal und war froh darüber, dass ich Rasmus den Rücken zugewandt hatte. So

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