Für Sloane ging sie durchs Feuer
sie, was jetzt zu tun war.
Gemessenen Schrittes stapfte sie in die Stadt zurück. Sie wählte nicht den kürzesten Weg, sondern schlug einen Bogen und marschierte durch eine Seitengasse in Richtung Zentrum.
Der untere Abschnitt der Gasse gehörte zum Amüsierbezirk von San Carlos. Die Häuser auf beiden Seiten der Straße waren hell erleuchtet. Vor den Bordellen standen grell geschminkte Mädchen mit Lockenperücken und warteten, dass sie von Freiern angesprochen wurden. Aus dem Chisholm Saloon erklang das Gefiedel von Geigen und das rhythmische Trommeln einer Pauke. Dazu trällerte eine Sängerin mit dünnem Stimmchen einen beliebten Gassenhauer.
Hin und wieder warf einer der Passanten Martha einen verwunderten Blick zu. Normalerweise war dieser Teil der Stadt den Männern vorbehalten. Die einzigen Frauen, die hier verkehrten, waren Prostituierte und Animiergirls. Es war das erste Mal, dass sich Martha im Dunkeln in diese verruchte Gegend begab.
Vor den geöffneten Schwingtüren eines Spielcasinos blieb sie stehen.
Aus dem Innern des Hauses waberte bläulicher Tabakrauch, den der Nachtwind in Stücke fetzte und über die Dächer davontrieb. Pokerchips klimperten. Kenotrommeln rotierten. Das Glücksrad neben dem Black Jack-Tisch drehte sich rasselnd im Kreis. Mädchen mit schamlosen Busenschaufenstern standen hinter den Stühlen der Glücksspieler und animierten diese, ihnen Drinks zu spendieren.
Martha stockte der Atem, als sie am Pokertisch gegenüber dem Bartresen die Stimme ihres Verlobten hörte.
»Ich gebe einen aus!«, grölte er. »He, Wirt, eine Runde Brandy für die süßen Girls!«
Martha trat einen Schritt näher. Sie schärfte ihren Blick. Im Dunst der rauchgeschwängerten Luft konnte sie das lachende Gesicht des Mannes erkennen, den sie liebte.
Und sie sah auch seine Hand, die er in den Ausschnitt eines dickbusigen Mädchens zwängte, das auf seinem Schoß saß. Als seine Gespielin laut aufjuchzte, bedeckte er ihren von Knutschflecken bedeckten Hals mit schmatzenden Küssen.
»Duke«, flüsterte Martha. »Was tust du da?«
Sie sah zu, wie ein Gehilfe des Salooners eine Flasche Brandy an den Tisch brachte. Die Animiergirls streckten ihre Gläser in die Luft. Im Chor ließen sie den edlen Spender hochleben.
Das war zu viel für Martha Coffins.
Ganz langsam zog sie den Colt aus dem Holster. Wie durch Zauberhand gelenkt, brachte sie ihn zur Hochstrecke. Sie kniff das linke Auge zu, hielt den Atem an und peilte den Mann an, der gerade mit den Füßen auf ihrer Liebe herumtrampelte.
Niemand der Beteiligten beachtete ihre Bewegungen. Auch als der Schlaghammer des Peacemakers klickte, schöpfte man keinen Verdacht. Es war einfach zu laut in der Umgebung.
Erst als der erste Schuss knallte, wurde man auf die im Schatten stehende Frau vor dem Casino aufmerksam.
Martha ließ ihren Revolver noch zweimal aufbrüllen.
Sie sah noch, wie Duke Sloane vom Stuhl gefegt wurde, hörte, wie die Mädchen vor Entsetzen brüllten, dann schleuderte sie die Waffe weit von sich.
Die Hände tief in den Taschen vergraben, marschierte sie in Richtung in Main Street.
Im Marshal’s Office brannte noch Licht.
***
Als Lassiter in San Carlos ankam, erwartete ihn eine böse Überraschung. Thema Nummer eins in der Stadt war der Mord an dem Glücksritter Duke Sloane, begangen von seiner Braut, Martha Coffins.
Der Mann von der Brigade Sieben war sekundenlang sprachlos. Während der Zugreise von Kalifornien und der anschließenden Fahrt in dem unbequemen Kutschwagen hatte er sich eine Menge Gedanken über das gemacht, was ihn wohl in San Carlos erwartete. Doch dass die Tochter des Senators inzwischen einen Mord begangen hatte und hinter Gittern saß – puh!
Mit dieser Variante hatte er weiß Gott nicht gerechnet.
Er ließ sich auf die Sitzbank vor der Station sinken und verfiel ins Grübeln. Wie sollte er jetzt diesen gottverdammten Auftrag ausführen?
Dick Brown, der Vorsteher der Dallas Overland Mail , trat vor die Baracke. Er war ein stiernackiger Geselle, mit großen Händen und einem struppigen Vollbart. Von Brown hatte Lassiter die unerhörte Neuigkeit erfahren.
Der Stationsvorsteher sah ihn nachdenklich an. »Die Frau, nach der Sie suchen, sitzt im City Prison«, sagte er. »Hab’s eben vom Deputy gehört. Er meint, für die nächsten fünf Jahre besteht keine Chance, dass sie entlassen wird. Mord ist nun mal Mord, auch wenn eine Frau die tödlichen Schüsse abgefeuert hat.«
Lassiter nickte mechanisch.
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