Fuer Wunder ist es nie zu spaet
Unkraut. Genau! Außerdem müssen wir den
Pool sauber machen und frisches Wasser einfüllen, das werden wir brauchen.
Dafür haben wir maximal drei Stunden, und zwar ab . . . jetzt!«
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D raußen auf dem Kiesplatz dröhnt der
gelbe Dieselkompressor wie ein alter Traktor, und er klingt nicht nur wie ein
alter Traktor, er sieht auch so aus. Alex steht mit Arbeitshandschuhen,
Schutzanzug und Maske vor dem Gesicht da und versucht mit dem schweren
Drucklufthammer den Granit zu formen. Der Hammer vibriert so stark, dass er ihm
aus den Händen springt, sobald er den Griff etwas lockert. Das ist, als würde
man versuchen, ein vierzig Zentimeter langes Wildpferd mit bloßen Händen zu
halten. Scheiße, ist das anstrengend. Alex versucht, positiv zu denken, während
sein ganzer Körper vor Anspannung zittert: Hinterher wird er von der Sonne
gebräunt und durchtrainiert sein und auch noch Geld verdienen. Und nebenbei
bezahlt er seine Schuld an Pelle zurück, dessen Frau er sich ausgeliehen hat,
ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Die Frau hat er natürlich gefragt, aber
Pelle nicht, den verdammten . . .
Alex spannt die Muskeln noch etwas fester an und schneidet mit dem
rhythmisch zischenden Drucklufthammer grobe Formen in den Granit, um Stuhlbeine
aus dem Block herauszuarbeiten. Der Block soll wie ein Lehnstuhl aussehen.
Glühend heiße Granitsplitter fliegen um Alex herum.
Alfons steht neben ihm und nickt aufmunternd. Dieser junge Kerl mit
dem Hammer ist gut, stark und gründlich, manchmal vielleicht etwas aggressiv,
aber das kann auch gut sein, denn dann geht alles schneller, und im Moment
steht Schnelligkeit ganz oben auf der Prioritätenliste.
Maja und Alfons wählen am Steinbruch die Blöcke aus. Wenn
sie welche finden, die an die Stühle erinnern, die Maja in ihrem Kopf hat, dann
transportieren sie mithilfe eines Krans, den Schienen und der Lore die
Granitblöcke zum Schloss hinauf, wo Maja auf dem Stein skizziert, wie Alex die
Stühle herausfräsen soll. Sie zeichnet mit weißer Wachskreide direkt auf den
Granit, und Alex fräst wie besessen. Er formt einen Sprossenstuhl, einen
Lesesessel, einen türkischen Polsterschemel, einen Schaukelstuhl. Er muss nicht
nachdenken, das macht Maja – er muss nur drauflosarbeiten. Dann ist Jens dran.
Der sorgfältige Jens mit seinen Gartenmeisterhänden, die so empfindsam sind wie
die Schnurrhaare einer Katze. Jens verfolgt Majas Visionen mit einem Zahneisen
und arbeitet das Gewünschte heraus. Maja schaut ihm freundlich über die
Schulter.
Direkt vor dem Atelier kommt Karin zum Einsatz. Mit leicht gebeugten
Knien über den Block gebeugt, schleift sie die Kanten für die Sitzfläche der
Stühle ab. Das ist schwer, die Maschine wiegt ungeheuer viel, und sie schwitzt
hinter der Schutzmaske. Aber es ist schön. Es ist schwer, aber schön, die
Kanten so sauber zu schleifen, dass sie ganz glatt werden. Sie empfindet es als
Erleichterung, mal einfach nur mit dem Körper zu arbeiten und zu spüren, wie
die Muskeln auf Hochtouren arbeiten. Niemals lockerlassen, denn dann würde ihr
die Maschine ins Bein schneiden. Sich nicht in Gedanken verflüchtigen, denn das
könnte geradezu lebensgefährlich sein. Was für ein merkwürdiges Gefühl der Befreiung
diese Arbeit in ihr erzeugt.
Dann kommt wieder Maja an die Reihe, diesmal mit gelber Wachskreide.
Denn nun nimmt der Stuhl Form an, und es ist Zeit für die Nuancen. Wie kann das
Kissen weich und einladend aussehen, obwohl es doch aus Stein ist, wie kann der
Lesesessel durchgesessen wirken, obwohl das Material doch steinhart ist? Der
Granitblock mit den gelben Markierungen landet dann wieder bei Karin, die dann
noch etwas mehr schleifen und wahrscheinlich auch noch mehr schwitzen darf.
Josefin steht im Pool und wartet auf den Block. Das Becken ist zur
Hälfte mit Wasser aus dem See gefüllt. Mit Pelles Kran senkt Alfons die
fertigen Stühle ins Wasser, wo Josefin im Bikini steht und sie mit dem
Wasserschleifer wunderbar weich poliert, sodass sie am Ende aussehen wie
gewachste Autos. Allerdings wird im Gegensatz zum Auto der Granit seine blanke
Oberfläche nie verlieren.
Als der Abend kommt und alle anderen in ihren Zimmern so
tief schlafen wie nie zuvor, wandert Maja nachdenklich zwischen den
Granitstühlen herum, betrachtet noch einmal ihre eigenen Skizzen im Atelier und
schleift das Werkzeug, damit es für den nächsten Tag bereit ist. Sie empfindet
ein unverbrüchliches Glücksgefühl und keinerlei Zweifel mehr,
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