Fuer Wunder ist es nie zu spaet
riesige Monument, das Pelle nicht hat aufhalten
können und das einfach nur grotesk groß geworden ist. Er muss wie ein
Wahnsinniger gemauert haben, nach oben, zu den Seiten raus und völlig ohne
Grenzen und Sinn. Das hat Pelle ihr alles am Morgen im Krankenhausbett erzählt.
Er hat ihr erzählt, wie er seine Lust am Spiel und seine Kreativität verloren
hat und damit auch alles andere. In Ermangelung von Seele, Potenz und
Selbstwertgefühl hat er die Skulptur einfach nur immer größer und größer
gemacht. Und er hat ihr erzählt, wie er sie geliebt hat, aber aus Angst, kein
Mann sein zu können, nicht gewagt hat, sich ihr zu nähern. Da hat Maja
angefangen zu weinen und gefragt, warum er denn nichts gesagt habe, sie hätten
einander doch helfen können, und dann hätte sich keiner von beiden einsam
gefühlt. Das konnte Pelle nur damit erklären, dass er sich geschämt hatte, die
Erwartungen nicht erfüllen zu können. Als ob das ein Grund wäre, sich zu
schämen. Wer erfüllt schon immer alles nach Plan? Na, also.
Verdammt aber auch, wie falsch alles laufen kann, wenn man nicht
miteinander redet! Wenn er etwas gesagt und einfach nur erklärt hätte . . .
Dann hätte es nicht so weit kommen müssen, dass man sein eigenes Haus anzündet,
um das Versicherungsgeld zu kassieren, das man braucht, um seine Seele beim
Kulturamt der Stadt München freizukaufen.
Maja streicht über die raue Oberfläche des Monsters, lehnt sich
dagegen und denkt über Lösungen nach. Erwägt einfach alle Möglichkeiten einer
Lösung, die am Ende alle glücklich macht. Die ultimative Lösung.
Die Luft ist so belebend, von der staubigen Hitze und der
nach Wasser schreienden Erde ist nichts mehr übrig. Jetzt liegt frische
Feuchtigkeit in der Luft. Maja marschiert mit großen, festen Schritten durch
das taugetränkte Gras an den Bahnschienen entlang, die über die Insel führen.
Von den Bäumen tropft es ihr in den Nacken.
Sie geht zu dem alten Steinbruch, der einer der Gründe war, warum
Pelle überhaupt nach Hjortholmen kam. Hinter dem Arboretum, ein Stück in den
dichten Wald hinein, liegt der kleine Tagebau. Im Berghügel gibt es ein
geheimes Loch, das Granitloch. Sie hat so ein Gefühl im Bauch, als könnte sie
im Steinbruch die Lösung finden. Irgendetwas ruft sie.
Maja balanciert auf den Gleisen, die teilweise von Unkraut
zugewuchert sind, und geht wie auf einem Hochseil durch den Wald. Im ersten
Jahr, als Pelle und sie auf Hjortholmen noch glücklich waren, gingen sie oft
zusammen hierher und besahen sich all die Reststeine, die an der Öffnung zum
Berg verstreut lagen. Das war der Granit, der vor dreihundert Jahren nicht
genutzt werden konnte, weil er die falsche Form und keine Funktion hatte.
Damals. Doch mit offenen Sinnen kann man ihn in alles Mögliche
verwandeln, und so waren sie zu dem großen Granittisch gekommen. Pelle fand die
große, schön geformte Platte und sägte einen Tisch daraus. Dann mussten sie die
Schienen vom Unkraut befreien, eine neue Lore bauen und den Block zum Schloss
karren. Das nahm einen ganzen Sommer in Anspruch.
Maja klettert über den Hügel. Er ist weich von all dem Moos, das im
Laufe vieler Hundert Jahre so dicht und schön geworden ist. Jetzt steht sie
ganz oben, höher geht es nicht. Weit hinten erahnt sie das Schloss, über ihr
schwebt ein Seeadlerpaar, und unten zwischen den Steinen raschelt es, da
versuchen ein paar Damhirsche etwas ungelenk, sich zwischen den Granitblöcken
durchzuschlängeln. Jetzt ist sie ganz nah dran, sie spürt es, jetzt ist sie der
Lösung nahe. Intensiv späht sie hinunter zu den Steinblöcken und versucht etwas
zu sehen. Sie will genau das finden, wovon sie weiß, dass es dort wartet.
Und dann plötzlich sieht sie es. Direkt an der dunklen Öffnung des
Steinbruchs. Es liegt auf der Seite. Ein Sessel. Ja, der Granitblock hat genau
die Form eines kleinen, süßen Sessels ohne Armlehnen. Wenn man den nur
zurechtschleifen könnte, die Formen etwas weicher machen und vielleicht die niedlichen
Beinchen auf irgendeine Weise hervorheben.
Der Stein glitzert, als die ersten Sonnenstrahlen des Morgens ihn
erreichen. Maja macht kehrt und läuft zum Schloss zurück.
»Frühstück!«
Maja läutet die Frühstücksglocke so eifrig, dass es im ganzen Schloss
widerhallt. Sie ist nicht wirklich gut im Kochen, aber diesmal hat sie sich
richtig ins Zeug gelegt, hat Omeletts gebraten, frischen Orangensaft gepresst,
Bacon ausgelassen, Josefins selbst gebackenes Brot im Ofen
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