Fuer Wunder ist es nie zu spaet
Karin nimmt seine Hand.
»Genau! Wir lassen alles hinter uns, einfach alles, und fangen hier
noch mal von vorn an.«
»Was? Nein . . .«
»Warte! Hör mir mal zu. Ich habe alles durchdacht.«
Karin setzt sich im Schneidersitz hin und schiebt die Ärmel von
Jens’ Jogginganzug, den sie ihm immer noch nicht zurückgegeben hat, hoch.
»Pelle Hannix ist der größte Bildhauer Schwedens, aber es gibt kein
eigenes Museum für seine Kunst. Und jetzt hat er sich in gewisser Weise in dem
Schloss hier selbst eingemauert. Hjortholmen soll sein Museum werden. Die Leute
können mit Booten hierherkommen und die schöne Insel genießen, da kommst du
dann ins Bild, aber dazu später. Sie dürfen im Schloss herumwandern, wo wir
auch andere Künstler ausstellen, aber Pelles Geist ist noch hier, mit dem Bären
unten am Wasser und dem Koloss in seinem Atelier. Das kann wunderbar werden und
. . .«
»Moment, das klingt gut, aber ich kann doch nicht alle meine
Perennen und mein ganzes Leben hinter mir lassen . . .«
»Jens. Du kannst deine komplette Staudenzucht behalten, aber lass
doch deine Mitarbeiter die täglichen Arbeiten erledigen. Du selbst kannst
einmal in der Woche rüberfahren und nachsehen, ob alles rund läuft. Hier hast
du die einmalige Chance, dieser Insel ihren ursprünglichen Charme zurückzugeben.
Was für eine Herausforderung! Dann können die Touristen der Kunst wegen, aber
auch wegen des Schlosses und der Insel selbst mit ihrer ganz besonderen Flora
hierherpilgern. Im Sommer wohnen wir hier und kümmern uns um alles, und im
Winter machen wir etwas anderes. Ein Teil des Geldes geht natürlich an Pelle
und Maja als Miete, aber . . .«
»Karin. Das ist zu viel auf einmal für mich, ich bin ein langsamer
Mensch. Das muss sich erst mal setzen. Können wir nicht einfach hier liegen und
ein wenig ausruhen?«
Karin kriecht zu Jens und nimmt seine Hände.
»Ruh dich aus. Aber das hier ist das beste Abenteuer unseres Lebens,
das weiß ich.«
Maja steht am offenen Schlafzimmerfenster und sieht über das
nachtstille Wasser der Vänersees. Der Hügel zum Steg hin ist ganz lila vom
wilden Lavendel, der gar nicht zu bändigen ist, er wächst einfach drauflos und
breitet sich hemmungslos aus. Sie hat diesen genießerischen Lavendel immer
gemocht. Unten an der Wasserlinie steht der Bär und wartet, dass jemand ihn
abholt, genau wie Maja, die auch so lange gewartet hat.
Sie hat die ganze Zeit darauf gewartet, dass jemand sie retten
würde. Im Schmelzwasser und in der Sommerhitze hat der Bär gewartet. Aber
tüchtige Frauen retten sich selbst, sie werfen einen langen Zopf vom Turm
herunter, seilen sich daran ab, schneiden den Zopf ab und tanzen dann weiter
ins Leben hinein. Maja hat ihren Zopf jetzt abgeschnitten, nun ist es an der
Zeit zu tanzen. Maja, darf ich bitten? Natürlich! Das kluge Mauerblümchen
fordert sich selbst auf, denn dann kommt es auf jeden Fall zum Tanzen.
Maja lacht laut und winkt dem Bären zu, der da unten steht und in
die Ferne blickt.
Epilog
Reisetipp in der Sonntagsbeilage der »Dagens Nyheter«
W ir sitzen auf dem Dach des
Dampfschiffes und schauen blinzelnd der Insel entgegen, auf die wir zutuckern.
Es ist, als würde man eine Reise in die Vergangenheit unternehmen. Sorgfältig
gemähte Grashügel, die in einen gepflegten Laubwald übergehen, ein Labyrinth
aus dichten, ebenmäßigen Hainbuchen, Damhirsche, Obstbäume, glatte Klippen,
kleine Badebuchten mit weißem Sand, Seeadler, die wie aufmerksame Wächter um
die Insel segeln, und im Wasser steht ein Bär aus Naturstein, der uns begrüßt.
Zehnmal täglich können Kunst- und Naturliebhaber mit dem kleinen, hübschen
Dampfschiff von Duvköping aus auf die traumhafte Insel Hjortholmen mitten im
Vänersee fahren.
Der Gartenbaumeister Jens Fredman begrüßt uns an dem alten
Dampferanlegesteg, bunte Wimpel flattern im Wind, und die Sonne scheint über
dem rosafarbenen Schloss, das auf dem höchsten Hügel der Insel thront. Fredman
züchtet winterharte Stauden, und er hat sich mit Herz und Seele dem
umfangreichen Projekt verschrieben, Hjortholmen wieder zu dem Feuerwerk von
Blumen und seltenen Pflanzen zu machen, das die Insel vor dreihundert Jahren
war. Er führt uns zum Schloss hinauf und erzählt dabei stolz, aber auch etwas
scheu von seiner Arbeit:
»Als Karin und ich herzogen, war die Insel in einem schlechten
Zustand. Die Pflanzen wurden vom Unkraut überwuchert und erstickten sich
gegenseitig, die Orangerie war
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