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Fürchtet euch

Fürchtet euch

Titel: Fürchtet euch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wiley Cash
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Freundschaften, die ich mein ganzes Leben lang gehabt hatte, und das tat weh. Es tut noch immer weh. Aber zehn Jahre lang hielt ich die Kinder fern, passte auf sie auf. Sobald der Gottesdienst begann, ging ich mit ihnen über die Straße hinunter zum Fluss, wo es schön warm war. Im Winter oder wenn es regnete, setzten die Leute sie einfach bei mir zu Hause ab. Wir machten ein bisschen Sonntagsschulunterricht, und danach spielten sie draußen. Manchmal bastelten wir was, malten Bilder und sangen Lieder. Aber zehn Jahre lang setzte ich keinen Fuß mehr in diese Kirche, und in der ganzen Zeit sagte ich zu Carson Chambliss kaum mehr als ab und an einen kurzen Gruß. Eine Zeitlang war unser kleiner Waffenstillstand ganz in Ordnung. Ich hatte meine junge Gemeinde, und er hatte seine, und wir hatten kaum etwas miteinander zu tun. Ich hatte das Gefühl, mit den Kindern genau das zu machen, was der Herr von mir erwartete.
    Aber ich hätte wissen müssen, dass Chambliss nicht immer so weitermachen konnte, und ich hätte wissen müssen, dass wieder irgendetwas Schreckliches passieren würde. Aber ich hätte nie im Leben geahnt, dass es einem von meinen Kindern passieren würde. Ich versuchte, die Kinder von der Kirche fernzuhalten, und zehn Jahre lang gelang mir das auch, aber diese zehn Jahre machten Carson Chambliss nicht bloß zehn Jahre älter und trotziger, sondern auch noch zehn Jahre rücksichtsloser. Und nun saß ich hier, vor der Kirche, die ich nie wieder von innen sehen wollte, und bereitete mich darauf vor, mit einem Mann zu sprechen, mit dem ich nur ungern allein war, weil er mir Angst machte. Noch nie zuvor war ich voller Furcht in die Kirche gegangen.
    Ich hockte da draußen in meinem Wagen, die Fenster herunterkurbelt, den Schlüssel noch baumelnd im Zündschloss, starrte durch diese grelle Hitze auf die Kirche und stellte mir vor, wie er dort in der Dunkelheit saß und wartete. Der Kiesstaub, der über den Parkplatz geweht wurde, machte ein Geräusch wie die nackten Füße, die in der Nacht zuvor durch den Flur geschlurft waren, als Julie in der Tür auftauchte und mich ansah, wie ich mich in meiner Beerdigungskleidung über das Bett beugte. Ich schlug das Bett auf, drehte mich dann um und ließ mich neben der Steppdecke nieder, die über dem Fußende hing. Ich strich mein Kleid glatt und sah zu ihr hoch. Sie hatte kein schwarzes Kleid für die Beerdigung gehabt, weil sie so viel zurücklassen musste, gleich nachdem es passiert war, also hatte ich ihr eins von meinen gegeben. Es war seit Jahren nicht getragen worden, und ich schätze, es war schon aus der Mode, noch ehe ich es bekam, aber sie schien froh darüber, dass sie es hatte, und es sah richtig gut an ihr aus. Sie sah fast wie ein junges Mädchen aus, obwohl sie eine Frau knapp über dreißig war, die gerade ihren Sohn begraben hatte. Als wir von der Beerdigung zurückgekommen waren, war sie in ihr Schlafzimmer auf der anderen Seite des Flurs gegangen und hatte die Tür geschlossen. Ich hörte die alten Bettfedern quietschen, als sie sich hinlegte. Ich stellte mir vor, wie sie da auf dem Bett lag, die Augen weit aufgerissen, und an die Decke starrte, bis das Zimmer zu dunkel wurde, um noch irgendwas zu sehen. Dann hatte sie die Tür geöffnet und war herausgekommen, und ihr Haar war offen, ganz lang und wunderschön. Es hatte ungefähr die Farbe von Mais. Ich sah ihr an, dass sie wieder geweint hatte.
    »Wollten Sie gerade schlafen gehen?«, fragte sie mich. Ich nickte und versuchte, sie anzulächeln.
    »Hatte ich vor, ja«, sagte ich. »Brauchen Sie vorher noch etwas?«
    »Nein, Mam«, sagte sie. »Ich habe alles. Ich wollte mich nur noch mal bedanken, dass ich hier wohnen kann. Ist bestimmt nicht für lange. Nur bis ich mir überlegt habe, was ich jetzt mache.«
    »Gott, Kindchen«, erwiderte ich. »Sie können so lange hierbleiben, wie Sie möchten. Sie müssen noch nichts entscheiden, schon gar nicht heute Abend, schon gar nicht nach allem, was passiert ist.« Sie blickte nach unten auf das schöne blonde Haar, das ihr über die Schulter auf die Brust fiel, nahm die Enden und bürstete sich damit über die Finger, als wollte sie sich etwas von den Händen wischen.
    »Der Pastor hat gesagt, er möchte Sie sehen«, sagte sie. »Morgen Abend, in der Kirche. Gegen sechs.« Sie ließ ihr Haar los und warf es sich mit beiden Händen über die Schultern auf den Rücken, dann hob sie den Kopf und sah mich an.
    »Ich wünschte, er hätte mir das selbst

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