Funkensommer
ich Schweine hüten muss? Wie blöd ist das?! Ich meine, wer interessiert sich schon für so etwas?
Dafür wähle ich Papas Handynummer und lasse läuten. Ewig. Nichts! Verdammter Mist. Tränen schießen mir in die Augen. Ich komme mir wie Aschenputtel vor und wische mir wütend übers Gesicht. Als ich zurück zur Stallbox komme, hat das Mutterschwein inzwischen drei Babys bekommen. Das dritte gerade eben. Mit Stroh rubble ich das Ferkel sauber, bis die Haut schön rosig ist. Dann lege ich es unter die Wärmelampe ins Ferkelnest.
Wieder probiere ich es bei Papa auf dem Handy. Nichts. Eine halbe Stunde vergeht. Bei der Muttersau tut sich nichts. Sie presst und presst, aber es kommt kein Ferkel raus. Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit. Irgendetwas stimmt da nicht. Ein Ferkel scheint sich im Mutterbauch verkeilt zu haben. Wenn ich jetzt nicht reagiere, stirbt nicht nur das Junge, sondern auch die Mutter. Schnell laufe ich ins Haus und hole einen Eimer mit warmem Wasser, Seife, Öl und ein Handtuch. Mir bleibt nichts anderes übrig, als das Ferkel mit der Hand herauszuziehen. Das habe ich schon öfters gemacht, weil ich die kleinste Hand von uns allen habe und so ein Geburtskanal ziemlich eng ist. Aber – noch nie alleine! Bis jetzt war Mama immer dabei und hat mir gesagt, was ich tun soll …
Da macht mein Herz auf einmal einen Paukenschlag!
»Hallo«, höre ich Finns Stimme hinter mir. »Was ist los? Warum bist du nicht zum Fest gekommen?« Er schaut zuerst auf den Eimer, dann mir ins Gesicht. Am liebsten würde ich ihm um den Hals fallen. Keine Jelly, Lena oder sonst eine Tussi. Sondern nur ich. Aber … was wird Finn denken? Er wird danach nie wieder mit mir Händchen halten wollen. Stattdessen wird er sagen: »Bitte, bloß nicht die Schweinehand!«
Verständlich. Ist ja auch nicht so toll. Aber was sein muss, muss sein. Deshalb sage ich: »Schwere Geburt. Ein Schwein braucht Hilfe.«
»Okay«, sagt Finn nur und schon marschiert er in Richtung Stallgebäude. Wow, denke ich.
Als ich die Tür zum Abferkelstall öffne, merke ich sofort, dass es höchste Zeit ist einzugreifen. Oder eben hineinzugreifen. Finn setzt sich neben das Ferkelnest ins Stroh und beobachtet mich.
»Was hast du vor?«, fragt er, als ich meine Hand einzuseifen beginne.
»Ein Ferkel steckt fest. Ich muss es holen«, sage ich und seife wie eine Verrückte. Dann träufle ich mir Öl auf die Hand und den Arm, damit es schön flutscht. Ich kann Finn gar nicht in die Augen schauen, so peinlich ist mir das. Aber mittlerweile habe ich Mitleid mit der Schweinemama und bin ihr gar nicht mehr böse. Finn ist ja hier, und das ist wunderschön. Trotz Schweinegestank und Mistfliegen. Deshalb mache ich meine Hand ganz schmal und beginne vorsichtig den Geburtskanal abzutasten. Das Mutterschwein grunzt. Aber es hilft nichts. Das muss jetzt sein. Zum Glück ist die Sau in einem Abferkelgitter eingeschlossen. Da gibt sie Ruhe.
Furchtbar eng ist es da drinnen. Und schleimig. Und warm. Und weich zugleich. Bis zum Ellenbogen stecke ich mit meiner Hand mittlerweile im Geburtskanal. Igitt!
Aber da – jetzt spüre ich etwas. Vorsichtig schiebe ich meine Finger um den Hals des Ferkels. Ich ziehe. Nichts. Noch einmal. Wieder nichts. Das Mutterschwein grunzt vor Schmerzen. Das Ferkel scheint festzustecken. Panik kommt in mir auf.
Da spüre ich Finns Hand auf meiner Schulter. Sie ist stark und warm. »Wir könnten es gemeinsam versuchen«, sagt er und greift nach meinem Oberarm. Dann ziehen wir wie die Verrückten. Ziehen. Und ziehen. Und spüren kurz darauf endlich einen Ruck, und das Ferkel wird mit der nächsten Wehe herausgepresst. Es lebt sogar noch. Wahnsinn!
»Wahnsinn«, sagt auch Finn neben mir. »Wir haben gerade ein Schweinebaby zur Welt gebracht.« Er grinst über beide Ohren. »Und noch dazu einen ziemlich dicken Brummer. Kein Wunder, dass sich die Schweinemutter so abgemüht hat.«
Ich bin fertig. Fix und fertig. Und trotzdem fühle ich mich so gut wie noch nie. Gemeinsam rubbeln wir unseren Brummer trocken und legen ihn an die Zitzen der Mutter. Seine Geschwister saugen schon daran. Danach kommen die Ferkel im Rekordtempo. Eines nach dem anderen flutscht heraus. Elf an der Zahl. Dann ist Schluss. Die Nachgeburt kommt, und ich bin unglaublich stolz auf mich. Oder noch besser: auf uns.
Als wir aus dem Stall treten, ist die Luft draußen kühl und angenehm. Eine Million Sterne funkeln am Himmel. Wir stinken wie die Schweine, aber das ist
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