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Funkensommer

Funkensommer

Titel: Funkensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Holzinger
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Jeansrock. Jelly is calling.
    »Wo warst du denn gestern?«, flötet meine Freundin. »Es war so geil, sag ich dir! Tobias war da. Und sogar diese Motorradtypen vom Nachbardorf.«
    Ich stelle auf Lautsprecher, so kann ich mich mühelos über den Zaun schwingen. Schon kommt Lanzelot angaloppiert. Schnuppernd durchsucht er meine Taschen nach Leckereien.
    »Hannah … bist du noch da?«, tönt es aus dem Handy.
    »Ja«, sage ich und muss kichern, weil Lanzelots Barthaare so kitzeln. »Wir reden später weiter, okay? Ich muss grad was erledigen. Ich melde mich dann bei dir«, versuche ich Jelly abzuwimmeln. Ich will unbedingt vorher mit Finn sprechen. Vielleicht klappt es ja mit dem See.
    In der Leitung knistert es. »Ja, gut«, meint sie nach einer Weile. »Aber beeil’ dich. Wir treffen uns später nämlich mit den Jungs am See.«
    In meinem Kopf schlägt die Alarmsirene an. »Welche Jungs?«, frage ich vorsichtig.
    Jelly schnaubt. »Tobias natürlich. Und dein Lover soll auch kommen – hab ich jedenfalls gehört. Er war ja gestern auf einmal wie vom Erdboden verschluckt …«
    »Er ist nicht mein Lover. Das weißt du ganz genau!«
    Jelly fängt zu lachen an. »Hannah, für wie blöd hältst du mich?!«
    Als ich nicht antworte, sagt sie: »Das mit Finn … das ist ja wohl klar. Immerhin hat er gestern auf der Party ungefähr hundertsiebzigmal nach dir gefragt. Und jetzt pack deinen Bikini ein und schwing deinen Arsch schnellstens her. Klaro?«
    Darauf weiß ich keine Antwort. Außer dass Jelly das mit mir und Finn nun doch gewittert hat … und mich fröstelt, obwohl es schon über dreißig Grad draußen hat.
     
    Ich liege unter der großen Birke im Schatten. Ich mag diesen Platz. Er hat etwas Besonderes, etwas Mystisches. Auch wenn man sich am Seeufer durchs Unterholz schlagen muss, um hierher zu kommen. Und das bei dieser Hitze. Das macht nicht jeder. Aber die Mühe lohnt sich. Denn hier sind kaum Leute. Das liegt nicht nur am beschwerlichen Weg, sondern auch daran, dass das Ufer auf dieser Seite des Sees steil abfällt und das Wasser noch dunkler ist. Wenn man also hinein will, muss man entweder durchs hohe Schilf waten oder von dem Felsen springen, der ein Stück weit vom Ufer ins Wasser ragt. Das ist gar nicht so einfach. Nur die wenigsten trauen sich das. Doch wenn man sich traut, dann wird man jedes Mal aufs Neue belohnt. Denn das Wasser ist so dunkel, dass ich immer das Gefühl habe, in ein schwarzes Loch zu springen. Ohne zu wissen, ob es mich verschlingen wird oder nicht. Und wenn ich springe, in das tiefe schwarze Loch, dann fühle ich mich danach so lebendig wie sonst nie. Ich weiß nicht, warum das so ist. Aber das Gefühl, wenn man wieder auf taucht, ist überwältigend. Befreiend.
    Ich drehe mich auf den Rücken und lasse meinen Blick über den See schweifen. Alles ist so wie immer. Der dunkle Moorsee, umsäumt von weißen Birken. Das Wasser, das leise und unaufhörlich gegen die Felsen schwappt. Das Schilf, das im Wind raschelt. Und Jelly, die mit ihrem rosa Bikini neben mir in der Sonne liegt. Keine zwei Meter entfernt.
    Wie immer.
    Ich, im Schatten.
    Sie, in der Sonne.
    Und trotzdem ist etwas anders. Heimlich schiele ich auf das Display meines Handys. 11:47 steht drauf. Sonst nichts. Keine Anrufe in Abwesenheit. Keine neuen SMS. Schon gar nicht von Finn. Ich habe mindestens dreimal bei ihm angerufen. Aber er hat nie abgehoben. Warum?
    Ist es doch wegen der Schweinehand? Oder war es der Kuss? Der Kuss mit Schweinegestank? Oder was?
    Mein Magen zieht sich düsterlich zusammen. Die winzigen Sonnenstrahlen, die durch das lichte Blätterdach der Birke fallen, können die Kälte in mir nicht vertreiben.
    Jelly scheint meine Unruhe zu spüren. Sie schaut über den Rand ihrer Sonnenbrille und fragt mit Kennermiene: »Magst du mir nicht endlich erzählen, was gestern los war?«
    Reflexartig verstecke ich mein Handy unter dem Badetuch und winke ab. »Da gibt es nichts zu erzählen. Ich hatte Stalldienst und konnte nicht weg. Wegen der Geburt. Du weißt schon …«
    Meine Freundin stöhnt. »Mensch, Hannah. Setz dich endlich bei deinen Eltern durch! Das kann doch nicht ewig so weitergehen. Willst du zu Hause versauern, oder was?« Mit einer lässigen Handbewegung rückt sie ihre Sonnenbrille zurecht und kramt einen Sonnenspray aus der Tasche. Sorgfältig beginnt sie ihre Beine damit einzusprühen. Danach sind Bauch, Arme und Gesicht dran. Ein Hauch Kokos weht zu mir herüber, gefolgt von: »Kannst du mal?«

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