Furor
Öffentlichkeit oder sogar ohne Wissen ihrer Regierung bereit sind, die fundamentalen Menschenrechte zu opfern, in der Überzeugung, es diente der Nationalen Sicherheit? Dr. Gottlieb verteidigte die MKULTRA-Experimente 1977 mit den Worten: »So hart dies im Rückblick aussehen mag, wir empfanden es als vernünftig, bei einer Sache, die das Überleben der Nation zu betreffen schien, auf diese Weise zu handeln und ein solches Risiko einzugehen.«
Hat sich die Haltung der Verantwortlichen in der Zwischenzeit geändert? Ich habe meine Zweifel.
Markus C. Schulte von Drach
München, Juli 2004
Nachwort von Christof Koch
Mit ›Furor‹ hat Markus C. Schulte von Drach einen Wissenschafts- und Politthriller im Stil Michael Crichtons geschaffen, der sich mit einigen der negativen Folgen unserer ständig wachsenden Möglichkeiten, das menschliche Gehirn zu manipulieren, beschäftigt. Man darf diesen gut konstruierten Roman jedoch keinesfalls mit Science fiction verwechseln, verfasst von einem Wissenschafts-Freak für andere Wissenschafts-Freaks. Die in dem Buch angesprochenen Themen sind sehr real und erfordern eine ernsthafte und nachhaltige Auseinandersetzung in der breiten Öffentlichkeit. Denn jeder von uns wird mit den Konsequenzen dieser schon bald realisierten Techniken leben müssen.
Tatsächlich erleben wir gerade die Entstehung der so genannten Neuro-Ethik, einer neuen wissenschaftlichen Disziplin, die sich mit den sozialen, juristischen und ethischen Konsequenzen der modernen Neurowissenschaften beschäftigt. Doch warum die ganze Aufregung? Wieso diese Hektik? Ganz einfach: Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Nervensystem von Tieren und Menschen haben inzwischen eine Reife erlangt, die es uns erlaubt, unser Wissen praktisch und therapeutisch umzusetzen.
Die Bandbreite der Anwendung ist enorm: Sie reicht von profanen, nüchternen Methoden bis hin zu bizarren und bewusstseinsverändernden Techniken. Für den interessierten Leser hier ein paar Beispiele der Themen, mit denen sich die Ethiker gerade jetzt auseinandersetzen müssen – und die aufzeigen, welche Relevanz ›Furor‹ in der Tat hat.
Ein Bereich umfasst die sogenannten bildgebenden Verfahren (Brain Imaging): Mit Methoden wie der Kernspintomographielassen sich anatomische und neuronale Anzeichen von Krankheiten wie Schizophrenie, Autismus oder Depressionen identifizieren. Doch wie verlässlich sind diese Hinweise? Und wenn eine Depression charakterisiert ist durch neuronale Aktivitäten in bestimmten Hirnregionen – oder das Fehlen dieser Aktivitäten –, gilt dann auch das Gegenteil? Neigt also jeder Mensch mit einem entsprechenden Profil der Hirnaktivität gleichermaßen zu Depressionen oder ist er gar schon depressiv? Mit anderen Worten: Ermöglicht bereits die Diagnose eines solchen Profils dem scharfsinnigen Arzt, die Neigung eines Menschen zu Depressionen für die Zukunft vorauszusagen? Oder lassen sich mit dieser Methode sogar Aussagen treffen über die Fähigkeit eines Menschen, seinen Ärger oder seine sexuellen Triebe zu kontrollieren? Könnten – und sollten – bildgebende Verfahren angewandt werden, um zukünftige schulische Leistungsfähigkeit zu beurteilen oder Bewerber von Krankenversicherungen zu checken? Kann auf ihrer Grundlage die Entscheidung gefällt werden, Gefangene lebenslänglich einzusperren, wenn sie möglicherweise eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen (z. B. Triebtäter)? Oder kann man mit ihrer Hilfe einen Selbstmordattentäter identifizieren, der gerade an Bord eines Flugzeugs geht? Die meisten dieser Fragen sind nicht wirklich neu, sie wurden bereits im Zusammenhang mit dem so genannten genetischen Fingerabdruck gestellt.
Ein weiteres problematisches Gebiet stellt die fortschreitende Entwicklung von Substanzen dar, die sehr gezielt auf bestimmte Systeme von Hirnbotenstoffen wirken.
Ein Beispiel dafür ist das Anti-Depressivum Fluctin (Prozac) , von dem mehrere Tonnen jährlich allein in den USA konsumiert werden. Wo aber verläuft die Grenze zwischen dem legitimen Einsatz bei einem Patienten, der unter den lähmenden Folgen einer Depression leidet, und der missbräuchlichenAnwendung, um ihn einfach glücklich zu machen? (Man erinnere sich an Soma , die Droge, die in Aldous Huxleys ›Brave New World‹ die Menschen von allen existenziellen Ängsten befreit.) Ist der weitverbreitete Gebrauch von Ritalin wirklich gerechtfertigt, mit dem man versucht, unruhige Jungen von einem vermuteten
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