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Furor

Furor

Titel: Furor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C. Schulte von Drach
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Prolog
    Als Christian Raabe seine Entscheidung traf, hatte er noch fünf Minuten zu leben. Fünf Minuten können eine lange Zeit sein. Dem Wissenschaftler kam es jedoch so vor, als würde ihm die Uhr mit rasender Geschwindigkeit die letzten Sekunden seiner Lebenszeit rauben.
    Der Teppich dämpfte seine Schritte, während er durch die Gänge des Instituts lief. Die Wände warfen ein dumpfes Echo zurück in die nächtliche Stille.
    Durch das Fenster am Ende des Ganges spiegelte sich das Mondlicht in den gerahmten Porträts lange verstorbener Männer. Raabe war es, als würde sein vorüberhuschender Schatten ihre Gesichter zum Leben erwecken. Fast meinte er ihre missbilligenden Blicke im Nacken zu spüren. Es waren die Riesen, auf deren Schultern er geklettert war, um weiter zu sehen als alle Wissenschaftler vor ihm. Doch jetzt fiel sein Blick auf nichts als den Abgrund, der sich vor ihm aufgetan hatte.
    Endlich hatte er die Fahrstühle erreicht. Er drückte hastig den Rufknopf und holte sein Handy aus der Tasche. Seine Hände zitterten, als er wählte. Eine unpersönliche Stimme forderte ihn auf, eine Nachricht zu hinterlassen.
    »Junge, es . . . Es tut mir Leid . . .« Er stockte, holte ein Taschentuch aus der Hose und tupfte die Schweißtropfen ab, die sich in seinen Augenbrauen gesammelt hatten.
    »Ich weiß nicht, wie . . . Gott, wie ich es hasse, das alles auf eine Mailbox zu sprechen. Aber es . . .«
    Während er nach Worten suchte, bildete sich auf seiner Stirn eine steile Falte.
    »Ich habe Fehler gemacht, furchtbare Fehler, Sebastian.«
    Mit leerem Blick schaute er durch das Panoramafenster hinausauf die Dächer der Nachbarhäuser. Straßenlaternen warfen dunstige Lichtflecken auf den Weg vor dem Institut.
    Christian Raabe hatte noch drei Minuten zu leben.
    »Aber jetzt ist es vorbei«, flüsterte er in das Mobiltelefon. »Ich werde für alles bezahlen.«
    In der Ferne war der Motor eines einsamen Autos zu hören.
    »Ich habe immer versucht, euch aus allem rauszuhalten. Es gibt da etwas in meinem Leben, wovon ihr nichts wisst. Und das hat gute Gründe, glaub mir. Darum tu jetzt einfach das, worum ich dich bitte. Tu es für dich. Bitte.«
    Das Auto näherte sich. Der Wagen bog in die Straße zum Institut ein und beschleunigte. Das Scheinwerferlicht schnitt gelbe Kegel in die Dunstschwaden.
    »Sebastian, hör zu . . .«
    Das Auto, ein deutsches Modell in dunkler Farbe, hielt mit quietschenden Bremsen vor dem Portal. Christian Raabe sah vier Männer herausspringen und zum Eingang laufen. Wo blieb denn dieser verdammte Fahrstuhl! Endlich war in der Tiefe ein elektrisches Brummen zu hören.
    »Schalt meinen Computer an. Auf der Festplatte befindet sich ein Ordner ›Memout‹. Lösch ALLE Dateien darin. Und dann vergisst du, dass es sie je gab, hörst du? Es hat sie nie gegeben, und du weißt nichts von ihnen. Verstehst du?« Er beobachtete, wie die Anzeige des Lifts langsam nach oben wanderte. »Und noch etwas. Ich weiß nicht, warum, aber man scheint so etwas immer erst zu sagen, wenn es zu spät ist. Ich hoffe, es hat für dich noch eine Bedeutung.« Christian Raabe seufzte. »Ich bin stolz auf dich, und war es immer. Es tut mir Leid, dass ich dir kein besonders guter Vater war, aber ich liebe dich. Und ich weiß, du kommst zurecht.«
    Der Fahrstuhl hatte das Stockwerk erreicht. Ein helles Klingeln ertönte, als die Türen sich öffneten.
    Christian Raabe hatte noch zwei Minuten zu leben.

18. April, Morgen
    Es war etwas Schreckliches passiert. Das war ihm klar, als er sich durch die neugierige Menschenmenge drängte, die den Weg zum Portal des Instituts versperrte. Davor standen Polizei- und Krankenwagen.
    Es war Sebastian unangenehm, sich durch die Menge hindurchschieben zu müssen. Niemand sollte meinen, er gehöre zu diesem sensationslüsternen Mob. Er hasste Gaffer. Schließlich unterschied sich der Mensch von anderen Primaten auch durch die Fähigkeit, Impulse wie Sensationsgier zu kontrollieren.
    Als Sebastian den Eingang erreichte, sah er, dass die großen Glastüren verschlossen waren. Vielleicht waren diese Menschen hier doch keine Gaffer, vielleicht waren es auch nur Studenten, die in ihre Vorlesung wollten und nicht ins Gebäude hineinkamen? Er klopfte gegen die Scheibe. Der Portier erkannte ihn und ließ ihn mit kummervollem Blick eintreten. Noch bevor Sebastian fragen konnte, was los sei, wurde er von einer Menschengruppe abgelenkt, die sich vor dem Fahrstuhl drängte.
    Eine Angestellte des

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