Gaelen Foley - Knight 01
freuen würde, wenn sie da-
vonlief. Da wäre es besser, stehen zu bleiben und ihm entge- genzutreten, wie unangenehm ihr langer Kleinkrieg auch sein mochte. Langsam drehte sie sich um und wappnete sich zum Kampf, während der in schillernde Farben gewandete Sir Dolph Breckinridge vom Wagen sprang.
Er überließ die Kutsche dem Pferdeknecht – den ein blaues Auge zierte – und stolzierte auf sie zu. Er war groß und sehnig und hatte kurz geschnittenes rotblondes Haar. Wie er dann so vor ihr stand, mit breitem Grinsen, eine Zigarre zwischen die weißen Zähne geklemmt, war er der Inbegriff des „bösen Man- nes“, vor dem sie ihre Schülerinnen in Mrs. Halls Pensionat immer gewarnt hatte.
„Kommen Sie mir mit dem Ding bloß nicht zu nahe“, warn- te sie ihn.
„Jawohl, Madam“, antwortete er. Anscheinend gefiel es ihm heute, ihr zu gehorchen.
Sorglos warf er die Zigarre aufs Pflaster und zermalmte sie mit. dem Absatz seines glänzend gewichsten Stiefels. Dann machte er sich daran, ihr zu nahe zu treten – genau wie in den letzten acht Monaten. Seit Herbst letzten Jahres war Sir Dolph fast krankhaft besessen von ihr. Sie konnte es sich nicht erklä- ren. Vielleicht entsprach es einfach seiner Natur, sich auf ir- gendein Objekt zu konzentrieren, bis er es gefangen oder zer- stört hatte. Eines jedoch wusste sie genau: Ihr ganzes Unglück war seine Schuld.
Mit kalter Miene wandte sie sich ab und ging weiter, den Korb Orangen auf dem Arm. Sie konnte riechen, dass er ihr folgte. Er war immer zu stark parfümiert.
„Wohin so eilig, meine Süße?“
Bel warf ihm nur einen vernichtenden Blick zu und wandte sich an die Passanten: „Orangen, schöne Orangen!“
Sein verwegenes Lächeln wurde noch breiter, so dass man seinen abgebrochenen Zahn sah, Resultat einer seiner zahllo- sen Schlägereien, ebenso wie seine schiefe Nase.
Dolph war stolz auf seine Narben. Da ihm jedwedes Gefühl für Schicklichkeit abging, reichte ihm schon der geringste An- lass, die Kleider abzustreifen und sein Gegenüber mit seinen prächtigen Narben zu beeindrucken. Besonders stolz war er auf jene, die quer über seine muskulöse Brust verlief: Sie stammte von einem Jagdausflug in die Alpen, wo ihn ein Bär erwischt hatte. Bel kannte die Narbe auch, bei Gott. Gleich am
ersten Abend ihrer Bekanntschaft hatte er sie ihr gezeigt; auf einem Jagdball war es gewesen, und es hatte sie ebenso gede- mütigt wie in Erstaunen versetzt. Sie hätte sich nur gewünscht, dass der Bär entschlossener gewesen wäre.
Dolph rieb sich die Hände und gab vor zu zittern. „Kalt hier draußen. Bestimmt hast du Hunger.“
„Orangen, schöne Orangen! Frisch aus Italien!“
„Das ist die letzte Gelegenheit für dich, dir die Sache mit Brighton noch mal zu überlegen. Morgen reise ich ab. Es wer- den auch noch andere Damen anwesend sein, falls das deine Sorge sein sollte.“ Er hielt inne, doch sie ignorierte ihn weiter- hin. „Die Geliebte des Prinzregenten gibt im Marine Pavillon am Meer einen Ball. Ich und meine Freunde sind auch eingela- den ...“
„Orangen, einen Penny das Stück!“
Er knurrte erbost. „Bedeutet es dir denn gar nichts, dass ich von all den Frauen auf der Welt, die ich haben könnte, dich er- wählt habe?“
„Wenn Sie mich schon tagtäglich belästigen müssen, könn- ten Sie wenigstens mal eine Orange kaufen.“
„Für einen Penny, was? Tut mir Leid, so kleine Münzen tra- ge ich nicht bei mir“, gab er mit einem kurzen Lachen zurück. „Von Orangen bekomme ich die Nesselsucht, und überhaupt, warum sollte ich dir helfen? Du bist ein freches Ding, weichst mir dauernd aus. Wie lange willst du mich denn noch abwei- sen?“
„Bis Sie es begriffen haben“, murmelte sie und ging weiter. Laut lachend ging Dolph ihr nach. Und ihm folgte in ehrer- bietigem Abstand der Pferdeknecht mit der Kutsche.
Verzweifelt wandte Bel den Blick ab. Wie schön wäre es jetzt, wenn sie eine scharlachrote Uniform entdeckt und ihren ge- liebten Mick Braden auf sich zukommen gesehen hätte, aber der ließ sich mit der Heimkehr aus dem Krieg wahrlich Zeit. Inzwischen sogar Captain Mick Braden, weil er sich in Frank- reich so tapfer geschlagen hat, dachte sie voller Stolz auf den selbstbewussten jungen Offizier aus ihrem Heimatort Kelms- cot – den Mann, den sie seit ihrem sechzehnten Lebensjahr zu heiraten gedachte.
„Bel, die Jagd auf dich macht wirklich Spaß, aber allmählich wird es Zeit, dass du dich ergibst. Du hast bewiesen, dass
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