Gaelen Foley - Knight 01
Leicestershire auf. Ein paar Wo-
chen auf dem Land werden mir sicher gut tun.“ Solange er auf Seven Oaks weilte, wäre er über jeden Verdacht erhaben, wenn der Mann vor ihm die Tat verübte.
„Bestimmt wird es tröstlich für Sie sein“, erwiderte Hawks- cliffe höflich, fast automatisch.
Beide schwiegen eine Weile, Hawkscliffe düster, während Coldfell überlegte, wie unangenehm es für ihn im Moment wä- re, in seiner eleganten Villa in South Kensington zu wohnen – wo Lucy gestorben war.
„,Legt sie in den Grund, und ihrer schönen, unbefleckten Hülle entsprießen Veilchen!’„ zitierte Hawkscliffe kaum hör- bar.
Coldfell schaute ihn mitleidig an. „Das hat Laertes an Ophe- lias Grab gesagt.“
Der Herzog antwortete nicht, sondern starrte nur auf die In- schrift des Grabmals: Lucys Name, ihr Geburts– und Ster be- datum.
„Ich habe sie niemals angefasst“, brach es aus ihm hervor. „Darauf gebe ich Ihnen mein Ehrenwort. Sie hat Sie nicht be- trogen.“
Gelassen sah Coldfell ihn an und nickte dann. Das hatte er natürlich längst gewusst.
„Ah, Hawkscliffe“, sagte er nach längerem Schweigen, „es erscheint mir so seltsam, wie man sie gefunden hat. Sie ist je- den Tag an den Teich gegangen, um die Schwäne zu zeichnen. Wie sollte sie da ausgerutscht sein? Vielleicht bin ich vor Schmerz schon ganz wirr im Kopf, aber irgendwie kommt es mir komisch vor.“
„Wie hätte sie ausrutschen können“, entgegnete er wild. „Sie war graziös ... so graziös. “
Diese Heftigkeit überraschte Coldfell. Anscheinend würde er leichteres Spiel haben als erwartet.
„Hatten Ihre Dienstboten an diesem Tag vielleicht irgendet- was Ungewöhnliches zu berichten, wenn ich fragen darf?“ hakte der Herzog nach.
„Nichts.“
„Hat irgendwer etwas gesehen? Etwas gehört? Sie war doch in Rufweite des Hauses. Hat denn niemand etwas gehört?“
„Vielleicht konnte sie nicht mehr um Hilfe rufen, weil sie zu schnell untergegangen ist.“
Hawkscliffe wandte sich wieder ab, die Lippen grimmig zu-
sammengepresst. „Sir, ich hege den schlimmsten Verdacht.“ Coldfell hielt inne und beobachtete ihn. „Ich wünschte, ich könnte Sie beruhigen, aber leider suchen auch mich die ärgs- ten Zweifel heim.“
Hawkscliffe drehte sich um und musterte ihn scharf. Seine dunklen Augen glühten wie Feuer. „Weiter.“
„Es passt einfach nicht zusammen. Auf dem Felsen, an dem sie sich angeblich ... gestoßen hat, war kein Blut. Aber was soll ich machen? Ich bin ein alter Mann. Meine Knochen sind schwach, ich kann einfach nicht mehr tun, was ein Ehemann tun sollte.“
„Ich schon“, erwiderte Hawkscliffe.
Der Earl frohlockte insgeheim, als er in den Augen des jun- gen Mannes Entschlossenheit aufglimmen sah.
„Wen haben Sie im Verdacht?“ fragte Hawkscliffe, der seinen Zorn nur mühsam zügeln konnte.
Noch nie hatte Coldfell einen Mann so grimmig und wild er- lebt. Er musste seine Genugtuung verbergen. Jetzt brauchte er nur noch einen Namen zu nennen, diesem brodelnden Zorn ei- ne Richtung zu weisen, dann würde Hawkscliffe den elenden Verräter, der sich gegen ihn gewandt hatte, zum Duell fordern und vernichten. Er war sich nicht zu schade, Lucys Verehrer gegeneinander auszuspielen, um sich und seine hebe, fehler- hafte Tochter Juliet zu retten. Was sollte er sonst tun? Er war fast siebzig und wurde jeden Tag schwächer. Dolph war im besten Mannesalter, ein brutaler und geübter Jäger, der im zar- ten Alter von neun Jahren seinen ersten Hirsch erlegt hatte. Das Zittern, das ihn nun überkam, war durchaus echt. „Mö- ge Gott mir vergeben“, sagte er atemlos und mit verstörtem Blick.
„Wer, Coldfell? Wissen Sie etwas? Ich weiß doch, dass es kein Unfall war, selbst wenn der Coroner das Gegenteil behauptet. Sie und ich, wir sind doch nicht dumm“, meinte er zornig. „Vier Tage hat sie in dem Teich gelegen, bis man sie fand. Jetzt lässt sich nicht mehr herausfinden, was man ihr vor ihrem Tod sonst noch angetan hat.“
„Mir scheint, wir haben dieselben Befürchtungen, Hawks- cliffe. Allein die Vorstellung, dass ihr vielleicht ... Gewalt ange- tan wurde. Oh Gott.“ Er lehnte sich gegen Hawkscliffe, der ihm Halt gab. „Das wäre fast noch schlimmer als ihr Tod.“
Hawkscliffe spannte die Kiefermuskeln an. „Sir, ich flehe Sie
an, verraten Sie mir, was Sie wissen.“
„Wissen tue ich gar nichts, Hawkscliffe. Ich habe nur einen Verdacht. Lucy hat einmal zu mir gesagt ...“
„Ja?“
Coldfell
Weitere Kostenlose Bücher