Gaelen Foley - Knight 04
William.“
Rackford stand auf und umarmte seinen Vater.
„Vergib mir, Sohn“, keuchte Truro und brach zusammen. „Ich habe immer mich in dir gesehen, und mein Vater brachte mir bei, mich selbst zu hassen.“
„Ich vergebe dir, Papa“, flüsterte Rackford und küsste seinen Vater auf die Schläfe.
Rackford blieb die ganze Nacht bei seinem Vater. Seine Mutter zog sich mit Kopfschmerzen zurück, weil sie das Sterben ihres Mannes nicht ertragen konnte, aber Jacinda gesellte sich zu ihm und brachte Rackford etwas von Mrs. Landrys Nachtisch. Irgendwann in der Nacht schlief Jacin- da auf einem Stuhl ein.
Rackford weckte sie sanft und bat sie, zu Bett zu gehen. Jacinda konnte kaum die Augen offen halten und willigte ein, sich auf dem Sofa im Salon hinzulegen. Von nun an hielt Rackford allein Wache bei seinem Vater. Er fühlte sich seltsam. Ihm war, als sei er geheilt worden, weil ihm nun doch der Mann Anerkennung gezollt hatte, der für ihn Gott und Teufel zugleich gewesen war.
Gegen Morgen schien der Marquis ruhiger zu werden, denn er sprach viel von seiner Mutter und seiner glückli- chen Schulzeit. Rackford versuchte, sich alles einzuprägen. Er fühlte sich seinem Vater in dessen letzten Stunden nä- her als je zuvor. Er unterhielt Truro mit Abenteuern aus seinem Verbrecherleben und brachte ihn zum Lachen, als er ihm erzählte, wie er das Zigeunermädchen Carlotta beim Kartenspiel gewonnen hatte.
„Sie hätte dir gefallen, Vater.“
„Aber nicht so gut wie deine kleine blonde Katze. Wie hast du sie kennen gelernt?“
Rackford lächelte, und bald darauf lachte Truro wieder, als Rackford berichtete, wie die Königin von Saba einem Müllhaufen entstiegen war.
Jacinda freute sich, als sie das Lachen durch die Tür hörte, auch wenn sie keine Ahnung hatte, worüber sich die beiden unterhielten. Sie war vor kurzem aufgewacht und hatte ei- gentlich vorgehabt, nach den beiden Männern zu schauen. Doch sie wollte nicht stören, wenn Vater und Sohn sich ge- rade so gut verstanden.
Vielleicht würde Lord Truro sich doch noch erholen. Sie schlang die Arme um sich, gähnte und beschloss, einen kleinen Spaziergang zu machen.
Der Morgen dämmerte gerade erst, und die Vögel began- nen zu singen. Die Luft war frisch und feucht, und Jacinda konnte das nahe Meer riechen. Dorthin wollte sie gehen!
Nach kurzer Zeit stand sie erneut auf der Klippe, von der aus die Treppe zum Strand hinunterführte. Am Horizont ging langsam die Sonne auf. Ihr rosa Licht ließ das Meer türkis leuchten.
Sanft rollten die Wellen heran und brachen sich an den Felsen. Selbst die Möwen waren ruhig und blinzelten schläfrig in die Sonne oder trieben auf dem Wasser. Hier oben wehte der Wind stärker als unten in der Bucht, aber das störte Jacinda nicht. Sie schloss die Augen und genoss die Liebkosung des Windes. Noch nie hatte sie sich so wun- derbar lebendig gefühlt. Lag es daran, dass ihr Leben eine neue Tiefe gewonnen hatte, oder daran, dass wohl ein To- desfall bevorstand? Oder hatte sie nur zu wenig geschlafen? Sie wusste es nicht.
Sie sog die salzige Luft ein, wollte gerade umkehren, als Rackford auf sie zukam. Sie blieb stehen, und ihr Blick wurde weich, als sie sein erschöpftes Gesicht sah. Er lief schnell und wirkte müde; seine Haare waren ungekämmt, die Kleider zerknittert. Sein trauriger Blick verriet ihr so- fort, was passiert war.
Als er zu ihr trat, umarmte sie ihn. Lange standen sie schweigend da.
„Ist er tot?“ flüsterte Jacinda.
Rackford nickte.
„Es tut mir so Leid, Liebling.“ Sie schickte ein stummes Gebet für ihren Schwiegervater zum Himmel.
Rackford holte tief und zitternd Luft, dann starrte er aufs Meer hinaus. Nach einigen Sekunden streichelte er Ja- cindas Bauch, und sie liebkoste seine Hände.
Er neigte den Kopf zu ihrem Ohr. „Danke.“ Er schwieg kurz. „Das hätte ich alles nicht erlebt, wenn du nicht gewe- sen wärst. Er hätte niemals nachgegeben, und ich wäre ges- tern abgereist. Ach, was für ein Unsinn! Ohne dich wäre ich erst gar nicht hergekommen! Du hast mir ... etwas Au- ßerordentliches geschenkt.“
„Du bist ja auch ein außerordentlicher Mann.“ Lächelnd ließ Jacinda den Kopf an seine Brust sinken. „Die wenigs- ten Menschen hätten es über sich gebracht, ihm zu verzei- hen.“
„Nun“, begann er nachdenklich, ich weiß jetzt, warum ich das alles erleben musste, weshalb ich so eine schreckli- che Kindheit hatte. Jahrelang war ich verbittert, aber jetzt kann ich auch das
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