Gai-Jin
aufgehört. Dann entdeckte sie, daß sie ein wenig feucht war, und konnte nicht begreifen, wieso – gleich darauf blieb ihr das Herz stehen, und sie wäre beinahe ohnmächtig geworden, weil der Verstand ihr einzuhämmern versuchte, daß ihre Träume gar keine Träume, sondern Wirklichkeit gewesen waren und daß sie im Schlaf vergewaltigt worden war.
»Das ist doch unmöglich! Ich muß verrückt sein – das ist unmöglich!« keuchte sie, nach Luft ringend. »O Gott, laß es bitte ein Traum gewesen sein, ein Teil von diesen bösen Träumen.« Mit jagendem Herzen tastete sie nach dem Bett. »Aber ich bin wach, es ist kein Traum, ich bin wach!«
Wieder untersuchte sie sich, hektisch, und noch einmal, doch diesmal etwas sorgfältiger. Sie wußte genug, um einzusehen, daß die Feuchtigkeit nicht zu verkennen und daß ihr Hymen zerrissen war. Es stimmte also. Sie war vergewaltigt worden.
Das Zimmer begann sich um sie zu drehen. O Gott, ich bin ruiniert, mein Leben ist ruiniert, meine Zukunft ist ruiniert, denn kein anständiger Mann, kein heiratsfähiger Mann wird mich jetzt heiraten, nachdem ich beschmutzt worden bin, und Heirat ist die einzige Möglichkeit für ein junges Mädchen, sich zu verbessern, sich eine glückliche Zukunft zu sichern, überhaupt eine Zukunft. Es gibt keine andere Möglichkeit… Als sie ein wenig ruhiger wurde und wieder nachdenken konnte, lag sie quer über dem Bett. Zittrig versuchte sie die Nacht zu rekonstruieren. Ich weiß noch, daß ich die Tür verriegelt habe.
Sie musterte die Tür. Der Riegel war an Ort und Stelle.
Ich erinnere mich an Malcolm und sein stinkendes Krankenzimmer und daß ich vor ihm davongelaufen bin, daß Phillip Tyrer friedlich schlief, daß Dr. Babcott mir etwas zu trinken gebracht hat und daß ich nach oben gegan…
Das Getränk! Großer Gott, man hat mich betäubt! Wenn Babcott mit diesen Drogen operieren kann, dann kann es natürlich passiert sein, dann wäre ich natürlich wehrlos gewesen, aber das hilft mir jetzt auch nicht weiter! Angenommen, ich bekomme ein Kind!
Wieder wurde sie von Panik geschüttelt. Tränen liefen ihr über die Wangen, und fast hätte sie laut aufgeschrien. »Hör auf!« murmelte sie und rang mit übermenschlicher Anstrengung um Fassung. »Hör auf! Gib keinen Laut von dir, hörst du! Du bist allein, niemand kann dir helfen, nur du dir selbst, du mußt jetzt nachdenken. Was wirst du tun? Denk nach!« Sie holte tief Luft und versuchte, ihre wirren Gedanken zu ordnen. Wer war dieser Mann?
Der Riegel liegt noch vor, durch die Tür hat also niemand kommen können. Moment, ich erinnere mich dunkel… oder gehört das zu dem Traum von der… Ich scheine mich zu erinnern, die Tür geöffnet zu haben, für… für Babcott und… und diesen Marineoffizier, Marlowe… und dann habe ich sie wieder verriegelt. Genau, das stimmt! Wenigstens glaube ich, daß es stimmt. Hat er nicht Französisch gesprochen… Ja, das hat er, aber schlecht, dann sind sie wieder weggegangen, und ich habe die Tür verriegelt, davon bin ich überzeugt. Aber warum haben sie mitten in der Nacht an die Tür geklopft?
Sie suchte und suchte in ihrer Erinnerung, konnte aber keine Antwort finden, war nicht mal ganz sicher, ob das wirklich geschehen war, weil ihr die Bilder dieser Nacht immer wieder entglitten.
Konzentriere dich! Wenn nicht durch die Tür, muß er durchs Fenster gekommen sein. Sie wälzte sich herum und sah, daß der Riegel für die Läden unter dem Fenster auf dem Boden lag statt in seinen Fallen.
Wer immer es also war, er war zum Fenster hereingekommen! Wer? Marlowe, dieser Pallidar oder sogar der gute Doktor, ich weiß, daß sie mich alle begehren. Wer wußte, daß ich von Drogen betäubt war? Babcott. Er hätte es den anderen erzählen können, aber von denen würde es sicher keiner wagen, etwas so Gemeines zu tun, würde es keiner wagen, die Folgen zu tragen, wenn er aus dem Garten hier heraufgeklettert wäre, denn natürlich werde ich es von allen Dächern schreien…
Ihr ganzer Verstand rief ihr eine Warnung zu: Sei vorsichtig! Deine Zukunft hängt davon ab, daß du klug und behutsam vorgehst. Sei vorsichtig!
Bist du sicher, daß dies wirklich in der Nacht geschehen ist? Was ist mit den Träumen? Vielleicht… Ich will jetzt nicht darüber nachdenken, nur ein Arzt würde es mit Sicherheit erkennen, und das müßte Babcott sein. Augenblick, du könntest… du könntest dir dieses winzige Stückchen Haut im Schlaf verletzt haben, als du dich in
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